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Äthiopien verstärkt seinen Militäreinsatz in Somalia
Im nordostafrikanischen Staat Somalia droht ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs. Die fundamentalistische Union der Islamischen Gerichte (UIC) zog am Sonntag starke Kräfte zusammen, um das im Südwesten gelegene Bur Hakaba zurück zu erobern. Die Stadt war am Sonntag von Truppen der "Übergangsregierung" (TFG) besetzt worden, die von Militär aus dem Nachbarland Äthiopien unterstützt wurden. Schon vor zwei Wochen waren Soldaten der TFG und Äthiopiens in Bur Hakaba eingezogen, nachdem sich die mit der UIC verbündete lokale Miliz zurückgezogen hatte. Die Angreifer hatten die Stadt aber nach wenigen Stunden wieder verlassen.
Die "Übergangsregierung" wurde 2004 auf einer internationalen Konferenz in Kenia eingesetzt. Somalia ist seit 1991 ohne funktionierende Zentralregierung. Die TFG wird zwar vom UNO-Sicherheitsrat und von der Afrikanischen Union, dem Dachverband aller Staaten des Kontinents, anerkannt. Sie ist aber außerhalb der Region um ihren Regierungssitz Baidoa praktisch einflusslos. Ihre wichtigste Stütze ist das mit den USA verbündete Nachbarland Äthiopien, das schon einige tausend Soldaten und Offiziere nach Somalia geschickt hat. Beide Länder sind seit Jahrzehnten verfeindet und haben in den 70er Jahren einen Grenzkrieg geführt.
Bur Harkaba liegt etwa 50 Kilometer von Baidoa entfernt. Die UIC wird mit ihrem Gegenangriff vermutlich nicht lange warten. Erstens muss sie aus Prestigegründen darauf bedacht sein, unter Beweis zu stellen, dass sie lokalen Kräften, die sich freiwillig unter ihren Schutz gestellt haben, wirkungsvoll und schnell zur Hilfe kommt. Zweitens stellt die Beteiligung äthiopischer Soldaten an der Besetzung Bur Hakabas eine besondere Provokation dar. Schon nach dem ersten Angriff auf die Stadt vor zwei Wochen hatten UIC-Sprecher zum "Dschihad" gegen die Truppen aus dem Nachbarland aufgerufen.
Vor dem Angriff auf Bur Hakaba hatte TFG-Präsident Abdullahi Jusuf Ahmed am Freitag auf der Sitzung der Internationalen Kontaktgruppe (ICG) in Kenia heftige Vorwürfe gegen die UIC vorgetragen. Er beschuldigte sie, "das schwarze Banner der Taliban" gehisst zu haben und "massive materielle, finanzielle und militärische Unterstützung" von al-Kaida und anderen "internationalen Terrornetzen" zu erhalten. Darüber hinaus behauptete er, zahlreiche tschetschenische, afghanische, arabische und europäische "Terroristen" würden in Somalia auf Seiten der UIC kämpfen.
Solche extremen Vorwürfe erhebt bisher nicht einmal die US-Regierung. Als Erfolg konnte die TFG aber immerhin verbuchen, dass US-Unterstaatssekretärin Jendayi Fraser nach der ICG-Sitzung sagte, die fortgesetzte Expansion der UIC stehe im Widerspruch zu den Vereinbarungen. Sie forderte darüber hinaus, die TFG als "legitimen Regierungsapparat" zu unterstützen, um "Terroristen" daran zu hindern, sich in Somalia festzusetzen.
Mitglieder der Kontaktgruppe sind neben den USA auch Großbritannien, Italien, Norwegen, Schweden, Kenia, Tansania, die Afrikanische Union, die Europäische Union, die Arabische Liga und die nordostafrikanische Staatengemeinschaft IGAD (Intergovernmental Authority on Development).
TFG und UIC haben für den 30. Oktober ein drittes Gespräch in der sudanesischen Hauptstadt Khartum vereinbart, um unter Schirmherrschaft der Arabischen Liga über eine politische Lösung aller Streitfragen zu verhandeln. Die TFG scheint aber entschlossen, das Treffen platzen zu lassen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 23. Oktober 2006
Nachtrag:
Bur Hakaba wurde von der UIC schon am Montag, 23. 10., ohne eine Schuss "zurückerobert", nachdem die Truppen der TFG und ihre äthiopischen Helfer sich aus der Stadt zurückgezogen hatten. Berichten zufolge haben die Milizen der UIC und ihre örtlichen Verbündeten jetzt ihre Stellungen noch weiter auf Baidoa vorgeschoben. Einzelne UIC-Vertreter sprechen von einem bevorstehenden Angriff auf Baidoa, während die äthiopische Regierung ankündigt, dass das für sie der Casus Belli wäre. UIC-Sprecher haben die äthiopische Bevölkerung - die zu fast 50 Prozent moslemisch ist - zur Revolte aufgerufen.