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Äthiopien droht mit Militärintervention in Somalia
Am Dienstag ist ein weiterer Versuch gescheitert, Verhandlungen zwischen den streitenden Parteien Somalias aufzunehmen. Ein für Dienstag angesetztes Gespräch in der sudanesischen Hauptstadt Khartum zwischen der machtlosen Übergangsregierung in der Provinzstadt Baidoa und der UIC (Union der islamischen Gerichte) wurde um 14 Tage verschoben.
Die Baidoa-Regierung und die UIC hatten sich erstmals am 22. Juni unter Vermittlung der Arabischen Liga in Khartum getroffen. Eine Fortsetzung der Gespräche war zunächst von der Übergangsregierung blockiert worden, indem sie unrealistische Vorbedingungen, wie etwa die Entwaffnung der UIC, stellte.
Inzwischen hat sich der Kräfteverhältnis in Somalia aber verschoben. Während die UIC, die seit Anfang Juni die Hauptstadt Mogadischu kontrolliert, ihren Machtbereich immer weiter ausdehnt, ist die Baidoa-Regierung in eine schwere Krise geraten. Die Hälfte der Regierungsmitglieder trat vor zwei Wochen von ihren Ämtern zurück. Sie warfen Ministerpräsident Ali Mohamed Gedi vor, eine "nationale Aussöhnung" mit der UIC zu blockieren, und kritisierten, dass er Soldaten aus dem verfeindeten Nachbarland Äthiopien zur Unterstützung nach Baidoa geholt hat. Präsident Abdullahi Jusuf erklärte daraufhin die Übergangsregierung für aufgelöst. Gedi muss jetzt dem in Baidoa residierenden Parlament, in dem er aber keine Mehrheit mehr hat, bis kommenden Montag ein neues Kabinett vorstellen.
Unterdessen hat die UIC in der vorigen Woche fast kampflos die Stadt Beletuein eingenommen, die in Zentral-Somalia, 300 km nördlich von Mogadischu liegt. Bei dem Machtwechsel gab es keine Verletzten. Große Teile der somalischen Bevölkerung unterstützen die UIC, die nach 15 Jahren Bürgerkrieg wieder "geordnete Verhältnisse" verspricht und durchsetzt.
In diesem Zusammenhang ist auch die Einnahme der Hafenstädte Harardheere (400 km nördlich von Mogadischu) und Eldher am Wochenende zu sehen. Beide Orten galten bisher als Hochburgen von Piratenbanden, die die Handelsschiffahrt und die Fischerei vor der Küste Somalias schwer beeinträchtigt hatten. Auch dort verlief der Machtwechsel unblutig und wurde von der Bevölkerung begrüßt.
Am Freitag voriger Woche wurde gemeldet, dass UIC-Milizen auf die nordsomalische Stadt Galkaayo, 750 km nördlich von Mogadischu vorrücken, um mit der UIC sympathisierende Kräfte in der Stadt zu unterstützen. Galkaayo liegt in der nordöstlichen Region Puntland, die weitgehende Autonomie beansprucht. Die dort herrschenden Kräfte sind Verbündete der Baidoa-Regierung und werden, ebenso wie diese, von Äthiopien unterstützt. Die Regierung Puntlands hat militärischen Widerstand gegen ein weiteres Vordingen der UIC angekündigt und mehrere islamistische Geistliche festgenommen.
Gleichzeitig hat Äthiopien am Wochenende mit einer massiven Militärintervention in Somalia gedroht. "Äthiopien wird keine Entwicklung dulden, die seinen nationalen Interessen schadet", verkündete Regierungssprecher Solomon Abebe. Agenturen meldeten am Montag, dass äthiopische Truppen nach Somalia eingedrungen sind.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 17. August 2006