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SPIEGEL spielt verrückt
Hamburger Nachrichtenmagazin macht Stimmung gegen Russland und Sotschi. Republikaner als Kronzeugen.
Am 7. Februar werden die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi eröffnet. In Teilen der Mainstream-Medien ist bis dahin mit einer sich steigernden Desinformationskampagne zu rechnen. Einen Vorgeschmack auf das Kommende gab der New Yorker Korrespondent des Spiegel, Marc Pitzke, am Dienstag auf den Online-Seiten. Unter der Überschrift „Furcht vor Terror in Sotschi: USA schicken Kriegsschiffe ins Schwarze Meer“ hieß es weiter: „In den USA wächst die Sorge vor einem Terroranschlag bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi. Doch bisher verweigert Russland die Zusammenarbeit mit US-Sicherheitskräften. Jetzt handelt Washington auf eigene Faust.“
Im Artikel wurde dann behauptet, selbst im Weißen Haus „wachsen die Zweifel an den Sicherheitsmaßnahmen in Sotschi“. Leider seien den USA aber „die Hände gebunden“, und geradezu bedauernd: „Alle Sicherheitsfragen obliegen dem Gastland.“ Doch Putin lehne eine „Zusammenarbeit mit US-Experten“ kategorisch ab. „Auch im Kongress rührt sich Unmut“, hieß es weiter. Einzige Kronzeugen für diese Aussage: Drei Kongressmitglieder – ein Unabhängiger und zwei Republikaner. Unter ihnen Mike Rogers, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Abgeordnetenhauses. Er gehört zu den radikalsten Vertretern seiner Partei, gerade auch, wenn es um Russland geht.
Aber selbst Rogers ging nicht so weit, der russischen Regierung eine Verweigerung der Zusammenarbeit mit den USA zur Sicherung der Olympischen Spiele zu unterstellen. US-Medien zitierten ihn lediglich mit dem nicht näher begründeten, wenig aussagekräftigen Satz: „Wir kriegen von den Russen anscheinend nicht alle Informationen, die wir brauchen, um unsere Sportler zu schützen.“
Dass russische und US-amerikanische Terrorbekämpfer im Gegensatz zur Darstellung des Spiegel im Vorfeld von Sotschi eng zusammenarbeiten, kann man in den Medien der USA täglich mit vielen Einzelheiten lesen. Sogar die neokonservativen Fox News, wo nicht gerade Freunde Russlands das Regiment führen, berichten immer wieder darüber. Es gibt keine belastbare amerikanische Regierungsquelle, die den Russen eine Verweigerung der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet vorwirft. Es sind keine Aussagen bekannt, die darauf schließen lassen, dass es im Weißen Haus Zweifel an den russischen Sicherheitsmaßnahmen in Sotschi gäbe. Über ein verräterisch nichtssagendes „...hieß es in US-Kreisen“ kommt Pitzke denn auch nicht hinaus.
Und die Kriegsschiffe? Der Sachverhalt ist schon seit Sonntag bekannt. Kein einziges halbwegs seriöses Medium der USA, nicht einmal die Fox News, hat den Vorgang so interpretiert, als würde das Weiße Haus jetzt aus Misstrauen gegen Russland „auf eigene Faust handeln“, wie es der Spiegel aggressiv und phantasievoll formulierte. Zwei Kriegsschiffe der USA im Schwarzen Meer und 17 Transportflugzeuge in Deutschland sollen im Bereitschaftszustand („standby“) gehalten werden, um im äußersten Notfall bei der Evakuierung von US-amerikanischen Sportlern, Sportfunktionären oder auch Besuchern der Olympischen Spiele mitwirken zu können. Pentagon-Sprecher Admiral John Kirby erläuterte diese Maßnahme: „Die USA haben der russischen Regierung bei ihren Sicherheitsvorbereitungen für die Winterspiele ihre volle Unterstützung angeboten.“ Schiffe und Transportflugzeuge würden „auf Anforderung für alle Arten von Notsituationen verfügbar sein – zur Unterstützung der russischen Regierung und in Konsultation mit ihr“, sagte Kirby.
Den drei vom Spiegel zitierten Kongressmitgliedern, die vor einer Teilnahme an den Winterspielen warnen, trat übrigens der ehemalige CIA-Chef Michael Hayden entgegen. Auf Journalistenfragen antwortete er am Sonntag, dass er auf Russlands Fähigkeit vertraue, die ungefährdete Durchführung der Veranstaltungen in Sotschi zu gewährleisten. „Ich denke, dass Amerikaner dort recht sicher sein werden.“
Knut Mellenthin
Junge Welt, 22. Januar 2014