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Obama unter Druck
Die US-Regierung droht Russland mit Sanktionen, ohne dadurch der Kritik von rechts entgehen zu können.
Die US-Regierung hat am Montag einige Maßnahmen angekündigt, die als Bestrafung Russlands wegen seiner Haltung zum Umsturz in der Ukraine gemeint sind. Das Pentagon setzte die „militärische Zusammenarbeit“ zwischen beiden Ländern aus. Unter diesem Oberbegriff laufen unter anderem gegenseitige Flottenbesuche, gemeinsame Übungen und bilaterale Treffen zwischen Gruppen hochrangiger Offiziere zu „Planungskonferenzen“, Diskussionen und ähnlichen Anlässen. Nicht von der Suspendierung betroffen sind die Kontakte zwischen den Verteidigungsministerien der beiden Länder. Darüber hinaus wurden geplante Treffen vorläufig abgesagt, die der Vertiefung der Handels- und Geschäftsbeziehungen zwischen den USA und Russland dienen sollten.
Es handelt sich insgesamt um Maßnahmen der untersten Kategorie, deren praktische Auswirkungen gering und für Russland kaum nachhaltig schädlich sind. Sie stellen nur eine erste Drohgeste dar, über deren Erfolg man sich vermutlich in Washington keine Illusionen macht. Präsident Barack Obama sprach am Montag schon davon, dass seine Regierung „eine ganze Reihe weiterer Schritte – wirtschaftliche und diplomatische“ in Erwägung ziehe, „die Russland isolieren und negative Folgen für seine Wirtschaft und für seinen Status in der Welt haben werden“.
An dieser Stelle wies Obama auf weiter gehende Äußerungen seines Außenministers John Kerry vom Vortag hin. Dieser hatte mit Einreiseverboten gegen russische Regierungsbeamte und Manager, Beschlagnahme von russischen Konten in den USA, Sanktionen gegen den Handel mit Russland und Investitionen in die russische Wirtschaft, sowie mit dem Ausschluss Russland aus der G8, der Runde der bedeutendsten Industriestaaten, gedroht. US-amerikanische Unternehmer sollten „anfangen, darüber nachzudenken, ob sie Geschäfte mit einem Land machen wollen, das sich so benimmt“.
Bereits am Sonntag hatten die anderen sieben Mitglieder der G8 – USA, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien und Japan – ihren zumindest zeitweisen Ausstieg aus der Vorbereitung des nächsten G8-Gipfels, der planmäßig im Juni im russischen Sotschi stattfinden sollte, bekanntgegeben. Das soll gelten, „bis Verhältnisse wiederhergestellt sind, unter denen die G8-Gruppe zu ernsthaften Diskussionen in der Lage ist“.
Das war und blieb bisher die erste und einzige gemeinsame Maßnahme der westlichen Allianz gegen das russische Vorgehen auf der Krim. Presseberichten zufolge widersetzen sich die meisten und gerade die wichtigsten Staaten der Europäischen Union dem Drängen der US-Regierung auf weitergehende Wirtschaftssanktionen. Eine Ausnahme machen lediglich einige osteuropäische Länder und angeblich auch Schweden.
Die Obama-Regierung steht unter extrem starkem innenpolitischen Druck. Die maßgeblichen Politiker der Republikaner, aber sogar einige demokratische Kongressmitglieder, die bekannten neokonservativen Kriegshetzer und die Redaktionen der meisten Mainstream-Medien interpretieren den aktuellen Konflikt als Ergebnis einer „Glaubwürdigkeitskrise“, in die Obama die USA durch Schwäche, Unentschlossenheit und Zurückweichen hineinmanövriert habe. In diesem Zusammenhang wird immer wieder Obamas Entscheidung im Herbst vorigen Jahres ins Feld geführt, die schon angekündigten Militärschläge gegen Syrien fallen zu lassen. Der Oberscharfmacher der Republikaner, John McCain, bezeichnete das russische Vorgehen auf der Krim als „Endergebnis einer kraftlosen Außenpolitik, die dazu geführt hat, dass niemand mehr an Amerikas Stärke glaubt“. Donald Rumsfeld, Verteidigungsminister unter George W. Bush, beklagt, dass Obamas Politik „ein Führungsvakuum geschaffen habe, das von den Putins dieser Welt gefüllt wird“. „Die Schwäche der USA“ habe „die Welt erschüttert“. Aaron David Miller, der unter sechs US-Außenministern als Berater gedient hat, jammert jetzt im neokonservativen Sender Fox News: „Heute sagt jeder 'nein' zu den USA, ohne dass es Kosten oder Konsequenzen hat.“
Unter den zahlreichen Kritikern der Obama-Administration, die sich in diesen Tagen mit abenteuerlichen Vorschlägen überbieten, ragt Zbigniew Brzezinski, Sicherheitsberater unter Präsident Jimmy Carter von 1977 bis 1981, hervor. Er forderte am Montag in der Washington Post, demonstrativ US-Truppen nach Europa einfliegen zu lassen und den ukrainischen Streitkräften „sofortige direkte Hilfe“ zuzusagen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 5. März 2014