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Neustart vorbei
Obama lässt Beziehungen zu Russland in den Keller fahren.
Mit der Beendigung seiner „Reset“-Politik gegenüber Russland hat Barack Obama wieder einmal dem Druck der Republikaner und der Rechten in seiner eigenen Partei nachgegeben. Wie von diesen schon seit Tagen immer lautstärker gefordert ließ der US-Präsident am Mittwoch ein Treffen mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin absagen, das Anfang September am Rande des G-20-Gipfels in St. Petersburg stattfinden sollte.
Wie weit Obama selbst an dieser Entscheidung wirklich beteiligt war oder ob hauptsächlich andere sie für ihn trafen, ist bisher nicht bekannt. Auffällig ist, dass „der mächtigste Mann der Welt“ zunächst nicht selbst vor die Mikrophone trat, um seine Absage mitzuteilen und zu erläutern. Stattdessen überließ er diese Aufgabe seinem Pressesprecher Jay Carney. Dessen Äußerungen lassen außerdem darauf schließen, dass Obama nicht einmal bei Putin anrief, um diesen persönlich zu informieren. Erst ist Laufe des späteren Freitags wollte der US-Präsident angeblich erstmals zu dem Vorgang Stellung nehmen.
In der schriftlich formulierten Erklärung Carneys vom Mittwoch heißt es, dass die US-Regierung „nach sorgfältiger Prüfung“ zum Ergebnis gekommen sei, „dass es in unserem bilateralen Arbeitsplan mit Russland in jüngster Zeit nicht genug Fortschritt“ gegeben habe, um an der Begegnung zwischen den beiden Präsidenten festzuhalten. Im einzelnen erwähnte Carney die Themen „Raketenabwehr und Abrüstung“, „Handels- und Geschäftsbeziehungen“, „globale Sicherheitsfragen“ sowie „Menschenrechte und Zivilgesellschaft“. „Russlands enttäuschende Entscheidung, Edward Snowden zeitweises Asyl zu gewähren, war ein weiterer Faktor, den wir bei der Einschätzung des gegenwärtigen Standes unserer Beziehungen in Betracht gezogen haben.“
Die führenden Scharfmacher unter den Politikern beider Kongressparteien sind indessen bemüht, den Präsidenten noch weiter vor sich her zu treiben. Schon am 19. Juli hatten Lindsey Graham von den Republikanern und sein demokratischer Kollege Charles Schumer im Senat eine Resolution eingebracht, die Obama aufforderte, alle wirtschaftlichen und diplomatischen Optionen zu prüfen, falls Russland Snowden Asyl gewähren würde. Insbesondere solle der Präsident sich dafür einsetzen, das Treffen der G-20 an einen anderen Ort zu verlegen. Graham nannte Russland in diesem Zusammenhang „einen der schlimmen Akteure in der Welt“ und sprach sich für einen Boykott der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi aus. Am 25. Juli verabschiedete der Bewilligungsausschuss des Senats eine Ergänzung zum Haushalt, die Handelssanktionen gegen jedes Land vorsieht, das Snowden Asyl gewährt.
Als Obama im Januar 2009 das Präsidentenamt übernahm, hatte er noch behauptet, die angeblich von seinem Vorgänger George W. Bush ruinierten Beziehungen zu Russland wiederbeleben zu wollen. Auf der internationalen Sicherheitskonferenz in München im Februar 2009 sprach Vizepräsident Joe Biden erstmals von einem „Reset“, einem Neustart. Anfang März 2009 überreichte Außenministerin Hillary Clinton ihrem russischen Kollegen Sergei Lawrow mit viel Theater und falschem Lachen einen großen gelb-roten „Reset-Knopf“.
In Wirklichkeit waren die Beziehungen zwischen Washington und Moskau im größten Teil der achtjährigen Amtszeit von Obamas Vorgänger nicht einmal schlecht gewesen. Das Verhältnis zwischen Bush und Putin wurde von beiden Präsidenten als geradezu freundschaftlich dargestellt und wirkte jedenfalls erheblich wärmer als das Klima zwischen Obama und Putin. Eine krasse Verschlechterung war erst durch den Kaukasuskrieg im August 2008 eingetreten. Die Initiative dazu ging zunächst im Wesentlichen von Russland aus. Dort hatte man den Eindruck, dass der Westen die georgische Führung unter Michail Saakaschwili zum Überfall auf Südossetien ermutigt hatte, und empfand die scharfe Kritik am russischen Eingreifen als ungerecht und böswillig.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 10. August 2013