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Grenzen der Geduld

Russlands Regierung hat dafür zwar keinen Anlass gegeben, aber arrogante Verhaltensmaßregeln und Drohungen Richtung Moskau können trotzdem nicht schaden, scheinen viele Politiker des Westens zu denken. „Jede Art von Militärintervention, die die souveräne territoriale Integrität der Ukraine verletzten würde, wäre ein riesiger und schwerer Fehler“, sagte US-Außenminister John Kerry am Mittwoch vor Journalisten in Washington. „Die territoriale Integrität der Ukraine“ müsse „respektiert werden“. Von Russland, wohlgemerkt, und von den über acht Millionen Russen, die vor allem im Osten der Ukraine leben und denen das von USA und EU unterstützte Putschregime gerade das verfassungsmäßige Recht auf ihre eigene Sprache aberkannt hat.

Kerry nutzte die Gelegenheit auch, um ein paar alte Forderungen zu wiederholen: Russland müsse seine Truppen aus den von Georgien beanspruchten Republiken Südossetien und Abchasien zurückziehen. An Georgien richtete der Chef des State Department den Appell, sich noch enger an die EU und an die NATO anzuschließen. Als weiteres Thema steht in nächster Zeit vermutlich die Liquidierung der kleinen, überwiegend von Russen und Ukrainern bewohnten Republik Pridnestrowje auf dem Zettel, die sich vor 22 Jahren von Moldowa lossagte.

Nachdem in weiten Teilen der Ukraine der Staats- und Sicherheitsapparat zusammengebrochen ist und dort fast nur noch die Strukturen der rechtsextremen Nationalisten funktionieren, sind Schutzmaßnahmen des russischen Bevölkerungsteils nur natürlich und geradezu zwangsläufig. Westliche Politiker, die eben noch der Besetzung von Regierungsgebäuden in Kiew und in der Westukraine durch bewaffnete Faschisten applaudierten, wirken nur trostlos verlogen, wenn sie sich jetzt darüber empören, dass ins Parlament der Krim-Hauptstadt Simferopol eine russische Selbstverteidigungsgruppe eingezogen ist.

Russland hat in allen Phasen der Entwicklung seit der Auflösung der Sowjetunion gegenüber der Ukraine niemals polarisierend, sondern immer vermittelnd gewirkt. Wenn dort der russische Separatismus viele Jahre lang zwar nicht definitiv historisch erledigt, aber doch auf absehbare Zeit neutralisiert schien, war das hauptsächlich das Verdienst Russlands.

Der wesentliche Grund dafür liegt auf der Hand: Für Russland sind dauerhafte, solide, sich verfestigende Beziehungen zur Ukraine insgesamt unendlich wertvoller und wichtiger als kleine Geländegewinne, die vielleicht in einer massiven gewaltsamen Konfrontation errungen werden könnten.

Russland kann diese klare und konstante politische Linie aber nur durchhalten, so lange es nicht zu gewaltsamen Übergriffen der siegestrunkenen, von keiner Staatsmacht mehr gebremsten ukrainischen Faschisten auf die russische Bevölkerung des Landes kommt. Hier könnten westlichen Politiker einmal in sinnvoller Weise Verantwortung zeigen. Sofern es dafür nicht schon zu spät ist.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 28. Februar 2014