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Islamische Theologen gegen "Kampf der Kulturen" (18.10.2006)

Islamische Theologen gegen "Kampf der Kulturen"

Die zwei größten Weltreligionen, das Christentum und der Islam, dürfen sich nicht in einen "Clash of Civilizations" hetzen lassen oder gegenseitig hineinsteigern. Das ist die angesichts der US-Politik in Nah- und Mittelost hochaktuelle Botschaft eines offenen Briefs von 38 angesehenen und hochrangigen moslemischen Theologen an Papst Benedikt XVI, Joseph Ratzinger.

Die Unterzeichner, darunter die Großmuftis Russlands und der Nachfolgestaaten Jugoslawiens, ebenso wie die Syriens und Ägyptens, setzen sich in ihrem Schreiben hauptsächlich mit der umstrittenen Vorlesung auseinander, die Ratzinger am 12. September an der Regensburger Universität hielt. In deutlicher, präziser, aber unaufgeregter, freundschaftlicher Weise machen die Theologen auf "Irrtümer und Fehler" des Vortrags aufmerksam.

An erster Stelle widersprechen sie der Behauptung Ratzingers, der Islam strebe im Unterschied zum Christentum die gewaltsame Ausdehnung seines Glaubens und die Zwangsbekehrung Andersgläubiger an. Die moslemischen Theologen verzichten dabei auf naheliegende Retourkutschen gegen das Verhalten christlicher Staaten wie etwa die Kreuzzüge oder die Unterwerfung und Zwangsmissionierung Mittel- und Südamerikas. Stattdessen stellen sie lediglich anhand historischer Tatsachen klar, dass moslemische Staaten in den von ihnen eroberten Gebieten, wie etwa im Mittelalter in Spanien, in der Regel keine gewaltsamen Bekehrungen betrieben haben. Die Mehrheit der Bevölkerung trat dort jahrhundertelang nicht zum moslemischen Glauben über. Der in der zweiten Sure des Koran verkündete Grundsatz "Keine Gewalt in Glaubensfragen" habe uneingeschränkte Gültigkeit, schreiben die 38 Theologen. Aus der fünften Sure zitieren sie den Satz "Lass dich nicht durch Hass auf irgendjemand verleiten, ungerecht zu sein" und verurteilen in diesem Zusammenhang individuelle Gewalttaten gegen unbeteiligte Personen als "unislamisch". Direkt angesprochen wird die Ermordung einer katholischen Nonne in Somalia am 17. September, die als "Reaktion" auf Ratzingers Rede interpretiert worden war.

Der offene Brief endet mit einem Appell zur Fortsetzung und Vertiefung des Dialogs zwischen den Religionsgemeinschaften, "um die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden und künftig in Frieden, gegenseitiger Akzeptanz und Achtung zusammenzuleben".

Knut Mellenthin

Junge Welt, 18.10.2006