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Wahlergebnisse rechtsextremer Parteien in der BRD

Ein Überblick von 1949 bis heute

Nach einer langen Phase des Niedergangs und der Stagnation fahren seit Ende der achtziger Jahre rechtsextreme Parteien wieder Wahlergebnisse oberhalb der Fünf-Prozent-Marke ein. Mit Abgeordneten vertreten sind sie derzeit in den Landtagen von Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, in der Bremer Bürgerschaft, im Europa-Parlament und in einer unüberschaubar großen Zahl von Gemeinde- und Stadträten. Das "Super-Wahljahr" 1994 könnte ihnen weitere Erfolge bescheren. Zu wählen sind dann u.a. der Bundestag, das Europa-Parlament, die Landtage in den östlichen Bundesländern sowie in Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen; außerdem stehen in vielen Bundesländern Kommunalwahlen an.

Ein Langzeit-Vergleich der Wahlergebnisse seit Bestehen der BRD, 1949, zeigt klar, daß die Sympathiekurve rechtsextremer Parteien so starken und schnellen Schwankungen unterworfen ist, wie es bei keiner anderen politischen Richtung auch nur annähernd der Fall ist. Nehmen wir als Beispiel die Bundestagswahlergebnisse der NPD:

  • 1965: 2,0 %
  • 1969: 4,3 %
  • 1972: 0,6 %
  • 1976: 0,3 %

Das beste Ergebnis verhält sich zum schlechtesten wie 14 zu 1, innerhalb von nur sieben Jahren. Ähnlich sieht die Entwicklung aus, wenn wir die Landtagswahlen in Niedersachsen betrachten, das bundesweit die Hochburg des frühen Nachkriegs-Rechtsextremismus war:

  • 1951: 13,2 %
  • 1955: 3,8 %
  • 1959: 3,6 %
  • 1963: 1,5 %
  • 1967: 7,0 %
  • 1970: 3,2 %
  • 1974: 0,6 %
  • 1978: 0.4 %

(1951: SRP plus DRP; 1955-1963: DRP; seit 1967: NPD)

Diese Zahlenreihen mögen genügen, um zu demonstrieren, daß rechtsextremes Wahlverhalten einer eigenen Untersuchung und Interpretation bedarf, daß es also nicht ohne weiteres mit dem breiteren Feld rechtsextremer Einstellungen vermengt werden sollte. Die Annahme ist sicher begründet, daß politische Einstellungen, "Weltanschauungen", Verhaltensmuster über einen längeren Zeitraum hin relativ stabil sind. Um beim Beispiel der letzten Zahlenreihe zu bleiben: Niemand wird wohl ernsthaft behaupten wollen, in Niedersachsen habe sich die Zahl der rechtsextrem Orientierten zwischen 1963 und 1967 mehr als vervierfacht, und habe sich anschließend in den elf Jahren bis 1978 auf ein Achtzehntel verringert.

Offensichtlich taugen also Wahlergebnisse nur sehr eingeschränkt als Indikator für die Gesamtentwicklung rechtsextremer Einstellungen und ihres Potentials in der Bevölkerung. Da aber Wahlergebnisse nun einmal das sichtbarste, spektakulärste Signal für politische Veränderungen darstellen, werden sie meist doch entsprechend vordergründig interpretiert. Verständlicherweise sorgt ein aktuelles Wahlergebnis von 7 Prozent allemal für mehr Aufsehen und Beunruhigung als die relativ konstante Tatsache, daß je nach Kriterien und Methode der Untersuchung mindestens 15 Prozent der deutschen Bevölkerung eine rechtsextreme Grundeinstellung haben. Der harte Kern, der unter allen Umständen explizit rechtsextrem wählen möchte, ist bisher äußerst klein. Maximal liegt er vielleicht bei einem Prozent der Bevölkerung, macht also nur höchstens ein Fünfzehntel aller Personen mit rechtsextremer Grundeinstellung aus.

Die übrigen mehr als 90 Prozent aller rechtsextrem Eingestellten sind Wechselwähler, die zum Teil unter bestimmten Voraussetzungen für eine Partei rechts von der CDU/CSU ansprechbar sind, unter anderen Bedingungen wiederum nicht. Ihr Verhalten ändert sich in diesem Punkt, wie oben gezeigt, sehr schnell und sehr stark.

Abgesehen von wechselnden Rahmenbedingungen unterscheidet sich das Stimmverhalten auch sehr nach der angenommenen "Wertigkeit" des zu wählenden Gremiums. Außer dem ersten Bundestag, der 1949 gewählt wurde und für den die Fünf-Prozent-Sperre noch nicht galt, hat bisher noch nie eine explizit rechtsextreme Partei den Sprung in das Bonner Parlament geschafft. Eher sind zum Rechtsextremismus tendierende Personen bei Landtagswahlen bereit, entsprechend zu wählen, und möglicherweise noch etwas mehr bei Kommunalwahlen. Als äußerst unwichtig gelten bisher die Europa-Wahlen, was sich nicht nur in außerordentlich niedriger Wahlbeteiligung ausdrückt, sondern auch darin, daß sehr viel großzügiger als sonst Stimmen an kleinere Parteien außerhalb des Bonner Trios vergeben werden.

Ein erheblicher Grund für dieses abgestufte Wahlverhalten liegt sicher in der wahnhaften Überschätzung des Werts der eigenen Wählerstimme. Deutsche Wähler, quer durch die politischen Lager, denken vor allem staatsmännisch: Man möchte seine Stimme nicht gern "verschenken", indem man eine "Splitterpartei" wählt, die voraussichtlich ohnehin an der Fünf-Prozent-Hürde hängen bleibt. Dieses Herumgeizen mit der wertvollen Wählerstimme läßt jedoch nach, je weniger wichtig die anstehende Wahl genommen wird. Mit abnehmender Wichtigkeit wächst die Bereitschaft, sich an der Partei, die man ansonsten vielleicht gewählt hätte, für dies und jenes durch einen "Denkzettel" zu rächen. Das gilt erwiesenermaßen nicht nur für rechtsextreme Parteien, sondern beispielsweise auch für die Grünen und für linke Parteien.

Das, sowie auch die großen Unterschiede zwischen einzelnen Bundesländern und Regionen, macht es sehr schwierig, die Entwicklung der rechtsextremen Wahlergebnisse über einen längeren Zeitraum hin vergleichend zu bewerten. Oft wird umstandslos Unvergleichbares in Beziehung zueinander gesetzt, also beispielsweise eine Bundestagswahl mit irgendeiner vorausgegangenen Landtagswahl, oder die Ergebnisse in zwei Bundesländern mit sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Gelegentlich ist zu erkennen, daß nicht nur methodisches Unvermögen die Hand bei solchen Vergleichen führt, sondern auch politische Absicht: meist selbstverständlich mit dem Ergebnis, daß die rechtsextremen Parteien schon wieder im Niedergang seien. In der Regel kann dabei immerhin der gute Wille unterstellt werden, diese Parteien kleinzuschreiben, indem man ihr Wählerpotential entmutigt. So war es zuletzt 1990, als anhand weniger und zum Vergleich kaum geeigneter Wahlergebnisse sowie aufgrund parteiinterner Querelen vorschnell und falsch "prognostiziert" wurde, der 1989 sichtbar gewordene Zuspruch für die REP sei beendet, die Partei gehöre eigentlich schon der Vergangenheit an.

Die Nachkriegs-Phase (bis 1961)

Auf den ersten Blick sehen die Wahlergebnisse rechtsextremer Parteien in der unmittelbaren Nachkriegsphase verblüffend mager aus, gemessen am zweifellos großen Potential der nazistisch "Sozialisierten". Für die Bundestagswahlen ergibt sich folgende absteigende Reihe:

  • 1949: 1,8 Prozent für die Deutsche Konservative Partei/Deutsche Rechtspartei (DKP/DReP). Da es noch keine Fünf-Prozent-Sperre gab, langte es aufgrund des herausragenden Ergebnisses in Niedersachsen (8,1 Prozent) für 5 Sitze im Bundestag. Eine weitere Partei mit starken Affinitäten zum Rechtsextremismus, die WAV (Wirtschaftliche Aufbau-Partei), kam auf 2,9 Prozent und 12 Mandate. Es handelte sich um eine kurzlebige, nur in Bayern aktive Regionalpartei, die dort allein 14,4 Prozent hatte.
  • 1953: 1,1 Prozent für die Deutsche Reichspartei (DRP), mit dem "Spitzenergebnis" von 3,5 Prozent in Niedersachsen.
  • 1957: 1,0 Prozent für die DRP.
  • 1961: 0,8 Prozent für die DRP.

Auf der Ebene von Landtags- und Kommunalwahlen sah es für rechtsextreme Parteien auch nicht wesentlich besser aus. Ausnahme war Norddeutschland, vor allem Niedersachsen, das sowohl organisatorisch (Zahl der Parteimitglieder) wie vom Wählerzuspruch her die alles überragende Hochburg der DRP ebenso wie der zeitweise mit ihr konkurrierenden SRP (Sozialistische Reichspartei) war. Während die DRP überwiegend eine konservative Partei mit bürgerlicher Basis war, die sich ebenso beharrlich wie erfolglos als Juniorpartnerin der CDU/CSU bereithielt, stellte sich die SRP eindeutiger in die Tradition der NSDAP und schlug auch in sozialen Fragen "radikalere" Töne an.

Den größten Wahlerfolg jener Jahre erreichten die Rechtsextremen bei der niedersächsischen Landtagswahl 1951: 11 Prozent (16 Mandate) für die SRP, plus 2,2 Prozent (3 Abgeordnete) für das Wahlbündnis DRP/Nationale Rechte. Die SRP hatte Spitzenergebnisse von 29 bis 33 Prozent in Lüneburg (Stadt und Landkreis), Diepholz, Bremervörde, Aurich, 23,5 Prozent in Emden, 21,5 Prozent im Regierungsbezirk Stade. In 35 Gemeinden Niedersachsens erreichte sie die absolute und in 375 die relative Stimmenmehrheit.

Absolut einmalig in der Geschichte der BRD blieb, daß die CDU daraufhin Koalitionsverhandlungen mit der SRP begann. Daß sie nicht zuende geführt wurden, lag wesentlich an der Intervention Adenauers, der auf die negativen außenpolitischen Rückwirkungen einer Regierungsbeteiligung der SRP verwies. Vergleichbares gab es ansonsten gelegentlich auf kommunaler Ebene, aber niemals in einem Landtag. Hier galt und gilt strikt der Grundsatz, daß rechtsextreme Parteien nicht koalitionsfähig sind. Politiker, die dies in Frage stellen, wie vor einiger Zeit Lummer bezüglich der REP, sind bisher eine seltene Ausnahme.

Stark zeigte sich die SRP auch bei Bundestagsnachwahlen im März und Mai 1952 in den Wahlkreisen Harz, Neumünster-Segeberg, Friedberg-Büdingen (Hessen) und Bremerhaven/Bremen-Nord: ihre Ergebnisse lagen zwischen 10,4 und 11,9 Prozent. Bei den großen Teilen der Bevölkerung, die zum einen stark nazistisch beeinflußt und zum anderen durch den verlorenen Krieg wirtschaftlich deklassiert waren, kam die radikale Phraseologie der SRP sehr viel besser an als der "gutbürgerliche" Konservativismus, den die DRP zur Schau trug. Wahrscheinlich hätte die SRP ihre Konkurrentin stimmenmäßig weit überflügelt und bedeutungslos gemacht, wenn sie nicht im Oktober 1952 durch das Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichts außer Gefecht gesetzt worden wäre.

In Niedersachsen reichte es für die DRP 1955 mit 3,8 Prozent noch einmal zu 6 Mandaten; 1959 war auch das vorbei. Eine kleine Sensation bedeuteten, ebenfalls 1959, die 5,1 Prozent für die DRP in Rheinland-Pfalz, die ihr zu einem Mandat und damit auch zur letzten Vertretung der Partei in einem Landtag verhalfen. Ansonsten hatten die rechtsextremen Parteien damals in den südlichen Bundesländern überhaupt nicht Fuß fassen können.

Eine vergleichende Betrachtung rechtsextremer Wahlergebnisse kann sich für die fünfziger und sechziger Jahre nicht nur auf DRP und SRP beschränken, da es große rechtsextreme Potentiale auch in zwei Parteien gab, die als "demokratisch" galten und zu den ständigen Koalitionspartnern der CDU/CSU gehörten: die Flüchtlingspartei BHE (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten) und die konservative DP (Deutsche Partei). Zwar würde es das Bild verfälschen, wenn man die Ergebnisse dieser zwei Parteien einfach mit denen von DRP und SRP zusammenrechnen würde, da BHE und DP nicht in vergleichbar eindeutiger Weise rechtsextrem ausgerichtet waren. Andererseits waren die Grenzen fließend, örtlich kam es zu Wahlbündnissen und Absprachen mit der DRP wie auch zu Verschmelzungsprozessen. In erster Linie stellten BHE und DP Zwischenkräfte dar, die es der CDU/CSU ermöglichten, dem Rechtsextremismus zuneigende Bevölkerungsteile zunächst von der DRP und SRP fernzuhalten und sie schließlich zu integrieren. Soweit es den BHE angeht, war das mit der materiellen Integration und Besserstellung der meisten Flüchtlinge eng verbunden.

Die Ergebnisse der beiden Parteien bei Bundestagswahlen entwickelten sich so:

  • 1949: DP 4,0 Prozent (17 Mandate).
  • 1953: DP 3,3 Prozent (15 Mandate); BHE 5,9 Prozent (27 Mandate).
  • 1957: DP 3,4 Prozent (17 Mandate); BHE 4,6 Prozent.

Die Mandate der DP verdankten sich schließlich nur noch der Wahlhilfe der CDU/CSU, dem sog. Huckepack-Verfahren, bei dem mindestens ein sicherer Wahlkreis zur Verfügung gestellt wird. Aufgrund ihrer immer schwächeren Wahlergebnisse entschlossen sich DP und BHE im April 1961 zur Fusion als Gesamtdeutsche Partei (GDP)/BHE. Gemeinsam erreichten sie bei der Bundestagswahl im September 1961 aber auch nur 2,8 Prozent.

Die Folge war ein Auseinanderfallen des parteimäßigen Zusammenhangs. Mitglieder und Wähler wanderten teils zur CDU/CSU ab, teils beteiligten sie sich am Neuformierungsprozeß der extremen Rechten, der dann zur Gründung der NPD führte, teils kandidierten sie noch als autonome Verbände zu Landtagswahlen. Ein allerletzter Nachzügler dieser Phase war der Wahlerfolg einer neubelebten DP bei der Bremer Bürgerschaftswahl 1963 mit 5,2 Prozent. Chef der Partei war der Fabrikant Friedrich Thielen, kurz darauf maßgeblich an der Gründung und Anfangsphase der NPD beteiligt.

1961 war das erste Jahr, in dem nur drei Parteien - CDU/CSU, SPD und FDP - Abgeordnete in den Bundestag schicken konnten. Im ersten Bundestag (1949) waren noch zehn Parteien vertreten gewesen, 1953 waren es sechs Parteien, 1957 nur noch vier. Mit dem Drei-Parteien-System schien der Bonner Parlamentarismus seine klassische Form erreicht zu haben: zwei große "Volksparteien" abwechselnd in den verteilten Rollen von Regierung und Opposition; die kleine FDP als mobiles "Zünglein an der Waage". Dieses Modell hielt sich bis zur Bundestagswahl 1980, als es durch den Einzug der Grünen aufgebrochen wurde.

Die Bundestagswahl 1961 kann, unter dem Aspekt rechtsextremer Wahlergebnisse, als Ende der Nachkriegsphase gewertet werden. Nicht nur verschwand die DRP mit 0,8 Prozent von der Bildfläche - selbst in ihrem Stammland Niedersachsen reichte es nur noch zu 1,6 Prozent -, sondern zugleich war die weitgehende Aufsaugung der Potentiale von BHE und DP gelungen. Das zeitweise wohl nicht unrealistische Risiko des Entstehens einer stabilen Partei rechts von der CDU/CSU konnte damit vorerst als gemeistert gelten.

Die Erfolge der NPD (1966-1969)

Die NPD wurde im November 1964 gegründet, als Versuch maßgeblicher DRP-Kader, nach dem Niedergang ihrer Partei sowie dem Zerfall von BHE und DP eine neue rechte Sammlungsbewegung einzuleiten. Zugute kamen der "neuen" Partei vor allem drei Faktoren:

  • Die erste (kurzfristige) Rezession um 1965-66 führte nach einer Phase der Vollbeschäftigung zum Anstieg der Arbeitslosigkeit und erschütterte den zur Staatsdoktrin überhöhten Glauben an den unaufhörlichen wirtschaftlichen Aufschwung.
  • Die Bildung der Großen Koalition (Dezember 1966) wurde von Wählern am rechten Rand der CDU/CSU als Verrat an der konservativen und deutschnationalen Politik interpretiert.
  • Die "Neue Ostpolitik", die von der Großen Koalition eingeleitet wurde, zerstörte das von der CDU/CSU selbst aufrechterhaltene Dogma der Reichsgrenzen von 1937 und der kategorischen Ablehnung eines "Verzichts auf die deutschen Ostgebiete".

Die erste Wahl, an der sich die NPD beteiligte, war gleich die zum Bundestag, im September 1965. Mit 2 Prozent schnitt sie nicht sehr eindrucksvoll ab, wenn auch besser als je zuvor eine rechtsextreme Partei in der BRD. Die Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein und Bayern im März 1966 brachten erste parlamentarische Erfolge, z.B. 10,6 Prozent in Bayreuth, 9,5 Prozent in Erlangen.

Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg schnitt die NPD Ende März 1966 mit 3,9 Prozent recht gut ab; die DRP hatte hier zuletzt, 1961, bei 0,9 Prozent gelegen. Die Wahl in Hessen am 6. November 1966 brachte dann mit 7,9 Prozent den Durchbruch und führte zum ersten Einzug der NPD in einen Landtag. Das deutsche und internationale Medienecho war enorm. Es folgte zwei Wochen später die Landtagswahl in Bayern, die die NPD mit 7,4 Prozent zum zweiten Mal erfolgreich sah. Es zeigte sich, daß die NPD im Vergleich zu den Kommunalwahlen vom März sogar noch deutlich zugelegt hatte. Sie erreichte nun 13,9 Prozent in Bayreuth, 13 Prozent in Nürnberg, 12,7 Prozent in Erlangen, allerdings "nur" 8,5 Prozent in Augsburg und Würzburg, 7 Prozent in München und Regensburg.

Insgesamt gewann die NPD 1966-68 Mandate in sieben Landtagen - außer in Hessen und Bayern auch in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen und Baden-Württemberg. Dort schaffte die NPD im April 1968 mit 9,8 Prozent ihr bestes Landesergebnis überhaupt. Die DRP hatte hier, ebenso wie in Bayern, niemals Fuß fassen können, während sich für die NPD plötzlich örtliche und regionale Spitzenwerte ergaben, die sich dann auch über den späteren Niedergang der Partei hinaus als latent stabil erwiesen, wie die neueren Ergebnisse der REP in diesen alten NPD-Hochburgen zeigen.

Erstaunlich und sehr ungewöhnlich war, daß die NPD ihre Erfolge gleich im ersten Anlauf, gewissermaßen aus dem Stand, erreicht hatte. Das gelingt neu auftretenden Parteien in der Regel nicht so schnell und leicht.

Wie gewonnen, so zerronnen

Bei der Bundestagswahl am 28. September 1969 scheiterte die NPD mit 4,3 Prozent. Zwar war dies mit Abstand das beste Ergebnis, das eine rechtsextreme Partei in der BRD von 1945 bis heute erzielte, aber es reichte eben nicht und leitete den Absturz der NPD ein. In Bonn wurde die erste sozialliberale Regierung gebildet, und die CDU/CSU mußte zum ersten Mal in ihrer Geschichte im Bundestag in die Opposition gehen. Alle folgenden Landtagswahlen brachten der NPD in zunehmendem Maß Verluste:

  • In Hamburg, wo im März 1970 gewählt wurde, fiel die NPD auf 65 Prozent ihres Resultats von 1966.
  • In Niedersachsen erreichte sie im Juni 1970 nur noch knapp 46 Prozent ihres Ergebnisses von 1967.
  • In Hessen und Bayern lag sie im November 1970 bei 38-39 Prozent der vorangegangenen Wahl.
  • In Schleswig-Holstein fiel sie im April 1971 sogar unter ein Viertel ihres Ergebnisses von 1967.

Die vorgezogene Bundestagsneuwahl am 19.11.72 zeigte, daß der kurze Höhenflug der NPD definitiv beendet war. In einer Situation größter Polarisierung zwischen SPD und CDU/CSU, die zur Schicksalswahl der deutschen Nation hochstilisiert wurde, kehrten rechtsextrem eingestellte Wähler massenhaft zur CDU/CSU zurück, in der (vergeblichen) Hoffnung, damit die "Sozi-Herrschaft" in Bonn beenden zu können. Die NPD lag bei 0,6 Prozent, weniger als ein Siebtel ihres Ergebnisses von 1969.

Zu diesem Zeitpunkt war die Partei schon in keinem Landtag mehr vertreten; in ihrer einstigen Hochburg Baden-Württemberg hatte sie es vorgezogen, zur Landtagswahl im April 1972 gar nicht erst anzutreten. Nutznießer war die CDU, die 8,8 Prozent dazugewann.

Der wahlmäßige Niedergang der NPD hielt im gleichen Tempo an. Typisch ist die Entwicklung in Bremen, wo die NPD bei drei aufeinanderfolgenden Wahlen - 1971, 1975 und 1979 - jedesmal rund 60 Prozent der Stimmen verlor, die sie bei der vorangegangenen Wahl gehabt hatte. In Baden-Württemberg lag die Partei acht Jahre nach ihrem spektakulären Erfolg von 1968 nur noch bei einem knappen Zehntel ihres damaligen Ergebnisses, und 1980 landete sie dort sogar bei 0,1 Prozent. Auch im Bundestag hatte die NPD 1980 - das Jahr der Strauß-Kandidatur - mit 0,2 Prozent ihren absoluten Tiefstand.

Dem Verlauf der Wahlergebnisse entsprach ungefähr die Mitgliederentwicklung der Partei: Von 13.700 Mitgliedern 1965, im ersten Jahr nach ihrer Gründung, verdoppelte sich die Zahl fast auf 25.000 in 1966 und war dann mit 27-28.000 in den Jahren 1967-69 stabil. 1970, im Jahr der ersten Wahlrückschläge, ging sie auf 21.000 zurück, lag 1972 noch bei 14.500, 1976 bei 9.700 und Anfang der achtziger Jahr bei knapp 6.000.

Als Deutung für den rasanten Abstieg der NPD seit 1969 wird vorwiegend angeführt, daß die nun in der Opposition befindliche CDU/CSU sich hemmungslos als Speerspitze deutsch-nationaler Polemik gegen die "neue Ostpolitik" der SPD in Szene setzte und damit der NPD ein zentrales Thema einfach weggenommen habe. Überhaupt habe die CDU/CSU damals durch ihre extrem rechte Propaganda gegen die SPD-Politik - man denke nur an die "Freiheit statt Sozialismus"-Wahlkämpfe und das Agieren von F.J. Strauß - der NPD den Wind aus den Segeln genommen und das rechtsextreme Wählerpotential schnell re-integrieren können.

Das scheint auf den ersten Blick einleuchtend. Andererseits wird heute die Übernahme rechtsextremer Positionen durch die CDU/CSU - vor allem in der "Asylpolitik" - aber auch gern als eine wesentliche Ursache für die Stärkung der REP, DVU usw. angeführt. Das bedeutet, mit einer im Grunde analogen Politik der CDU/CSU soll im einen Fall der Niedergang einer rechtsextremen Partei und im anderen Fall ihr Aufstieg erklärt werden. Das weist auf eine unzulässige Beliebigkeit und Austauschbarkeit der Argumentation hin.

Gegen eine Überdehnung des eben zitierten Erklärungsansatzes spricht, daß der wahlmäßige Niedergang der NPD sofort nach der Bundestagswahl 1969 einsetzte, noch bevor sich die CDU/CSU richtig in der Oppositionsrolle profiliert hatte und noch vor den großen Schlammschlachten um die "Neue Ostpolitik".

Einige weitere Faktoren müssen deshalb für die Erklärung des rasanten Abstiegs der NPD zumindest mit herangezogen werden:

  • Die starke Polarisierung in Bonn, die für die Jahre 1970-1980 (Strauß-Kandidatur) kennzeichnend war. Aus rechter und um so mehr aus rechtsextremer Sicht war die Beendigung der "Sozi-Herrschaft" das vorrangige Ziel. Das bedeutete nach Lage der Dinge, daß es für die CDU/CSU auf jede Stimme anzukommen schien, und begünstigte eine wahlmäßige Konzentration auf die Hauptpartei der Rechten. Stimmen für die NPD waren entsprechend leicht als "objektive" Wahlhilfe für die SPD denunzierbar.
  • Die erkennbar sehr kurze Dauer der Rezession von 1965-66. Wenn es zutrifft, daß Phasen hoher rechtsextremer Wahlergebnisse etwas mit problematischen Wirtschaftssituationen zu tun haben - dafür sprechen die erste Etappe des Nachkriegs-Rechtsextremismus, die derzeitige rechtsextreme Welle wie auch historisch der Aufstieg der NSDAP -, dann war der NPD durch die Beruhigung der Wirtschaftslage insoweit eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung entzogen.
  • Die Identifizierung der NPD mit Gewalt und Nazismus. Das Auftreten der NPD mit bewaffneten Schlägerbanden sorgte für anhaltende Skandale und machte die Partei in den Augen konservativer Interessenten anrüchig und unseriös. Die eindeutige Ablehnung als Altnazi- und Radauhaufen, auf die die NPD im allgemeinen auch bei der CDU/CSU stieß, verunsicherte große Teile der NPD-Wähler, die ihrer Mentalität, Weltsicht und sozialen Situation nach angepaßte Konservative waren; in der Rolle von Außenseitern, Systemkritikern und Radaubrüdern fühlten sie sich auf Dauer nicht wohl. Auch das parteiübergreifend beliebte Argument, NPD-Erfolge seien schädlich für das deutsche Ansehen in der Welt, beeindruckte viele nationalistisch Orientierte.
  • Die NPD war organisatorisch nicht in der Lage, die ihr so plötzlich und ohne eigenen Vorlauf zugefallenen Erfolge zu verwalten. Das begann bei der desolaten Rolle, die ihre Abgeordneten in den Parlamenten spielten, wo es dann auch alsbald zu zahlreichen Aus- und Übertritten kam, die in der allgemeinen Meinung das Bild völliger Unseriosität und Inkompetenz vertieften. Abgesehen von hundert persönlichen Fehden, in die sich die Möchtegern-Politiker untereinander verstrickten, brach auch der grundlegende Widerspruch zwischen der "besitzbürgerlichen", konservativen Traditionslinie einerseits und der im Sinne des Nazismus zu mehr Radikalität geneigten Linie andererseits schnell wieder auf, den man bei der NPD-Gründung durch personalpolitische Deals überbrückt hatte. Die ersten Rückschläge führten zu einem Wust von gegenseitigen Schuldzuweisungen und zum rasanten Zerfall der Partei in verfeindete Strömungen.

Neuer Boom im Zeichen des Staats-Rassismus

1979 faßte die zusammengeschrumpfte NPD auf ihrem Parteitag den Beschluß, den Bundestagswahlkampf des nächsten Jahres mit der zentralen Parole "Ausländerstopp - Deutschland den Deutschen" zu bestreiten. Es war das gleiche Jahr, in dem die Bonner Parteien und die Medien zum ersten Mal das große Wehgeschrei über die "Asylantenwelle" anstimmten, die angeblich die BRD zu "überrollen" drohte.

Die NPD hatte sich also mit gutem Instinkt auf das zentrale rechtspopulistische Thema für das anbrechende Jahrzehnt und darüber hinaus geworfen. Der Erfolg war zwar sichtbar, hielt sich aber zunächst noch in bescheidenen Grenzen. 3,8 Prozent für die Kieler Liste für Ausländerbegrenzung bei der Kommunalwahl im März 1982 zeigten immerhin, daß sich auf diesem Gebiet etwas machen ließ. Eine ähnliche Liste (HLA) kam in Hamburg im Juni 1982 auf 0,7 Prozent - mehr als doppelt soviel wie die NPD 1978. Bei der Bundestagswahl 1983 blieb die NPD mit 0,2 Prozent statistisch konstant, doch erhöhte sich die Zahl ihrer Stimmen von 68.000 auf 91.000. Die lange Phase sinkender Ergebnisse war damit, wenn auch in mikroskopischen Ausmaßen, erstmals durchbrochen. Die Europawahl 1984 brachte der NPD 0,8 und bestätigte damit den Trend zum Anstieg auf niedrigem Niveau. Bei der Bundestagswahl im Januar 1987 kam die NPD auf 0,6 Prozent und 227.000 Stimmen, zweieinhalb mal soviel wie 1983.

Den "großen Durchbruch" schafften aber erst die Republikaner. Im November 1983 von frustrierten Provinzpolitikern der CSU gegründet, hielt sich die REP wahlmäßig zunächst zurück. Erst zur bayerischen Landtagswahl im Oktober 1986 trat sie an und holte auf Anhieb 3,0 Prozent. Dahinter standen 343.000 Stimmen, also mehr, als die NPD ein Jahr später bundesweit einzusammeln vermochte.

Auf den ersten Blick fällt auf, daß diese Premiere der REP weit hinter dem Blitzstart der NPD von 1966 zurückblieb, als in Bayern gleich auf Anhieb 7,4 Prozent rechtsextrem gestimmt hatten. Doch gab es bereits einige aufsehenerregende Lokalergebnisse, mit Spitzen um die 7 Prozent in Rosenheim, Altötting und Bayreuth, sowie über 4 Prozent in Fürth, Erlangen und Coburg.

Im September 1987 schaffte erstmals nach fast zwanzig Jahren wieder eine rechtsextreme Partei den Sprung in ein Länderparlament, wenn auch nur aufgrund eines besonderes Wahlsystems: In Bremen erhielt die DVU (Deutsche Volksunion) unter dem Namen Liste D 3,41 Prozent. Da sie aber im Wahlbereich Bremerhaven bei 5,4 Prozent lag, konnte sie über diesen Weg einen Abgeordneten in die Bremer Bürgerschaft schicken. Hinter der DVU steht mit der Person des Dr. Frey eine seit Jahrzehnten bekannte Traditionsfigur des Rechtsextremismus, Herausgeber der auflagenstärksten Zeitungen dieses Spektrums. Parteipolitisch hatte er Ende der 60er Jahre Anschluß an die NPD gesucht, doch war dieser von maßgeblichen NPD-Führern unterstützte Fusionsversuch am wütenden Widerstand der Parteibasis gegen den sehr umstrittenen Einzelkämpfer Frey gescheitert. Im allgemeinen markiert die DVU eine "noch härtere", explizitere Version des Rechtsextremismus als die REP. In Bremen hatte die NPD zur Wahl der DVU aufgerufen, während die REP selbst kandidierte und weitere 1,2 Prozent (in Bremerhaven 1,65) rechtsextreme Stimmen holte.

Die Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 1988 bestätigte die ansteigende Tendenz rechtsextremer Parteien, zeigte zugleich aber auch wieder, daß der Aufschwung langsamer verlief als in der zweiten Hälfte der 60er Jahre: Die NPD erreichte 2,1, die REP 1 Prozent.

Um so mehr machte das Westberliner Wahlergebnis vom 29.1.89 Sensation, als die REP mit 7,5 Prozent 11 Mandate gewann und außerdem 36 Abgeordnete in die Bezirksvertretungen schicken konnte. Wenn man den Hintergründen dieses erstaunlichen Ergebnisses nachspürt, ist zu bedenken, daß dank der Politik der Alliierten die NPD in Westberlin stets verboten gewesen war und folglich nicht kandidieren durfte. Hier war weit mehr rechtsextremes Potential vorhanden, als sich in den Wahlergebnissen widerspiegelte. Einen Eindruck davon gab das Ergebnis des BFD (Bund Freies Deutschland), der 1975 in Westberlin kandidierte und 3,4 Prozent holte. Der BFD gehörte zu den von Strauß und Springern vorangetriebenen Versuchen, eine Vierte Partei auf den Weg zu bringen, die zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus so genau die Balance halten sollte, daß sie für die CDU/CSU koalitionsfähig gewesen wäre. Allerdings hat dieses Projekt damals nirgendwo Resultate erzielt, die auch nur halbwegs an Berlin heranreichten.

Die REP wiederholte ihren großen Erfolg bei der Europawahl im Juni 1989, als ihr 7,1 Prozent zu 6 Abgeordneten verhalfen. Weitere 1,6 Prozent entfielen auf die DVU. Allgemein wurde auf das große "Nord-Süd-Gefälle" zwischen den REP-Anteilen in einzelnen Bundesländern aufmerksam gemacht: 14,6 Prozent in Bayern, 8,7 in Baden-Württemberg, aber unter 5 Prozent in Norddeutschland und Nordrhein-Westfalen - mit Ausnahme Hamburgs (6 Prozent). Einige örtliche Spitzenergebnisse der REP: 22,1 Prozent in Rosenheim; 19,6 in Augsburg; 17,6 in Nürnberg; 15 in München; 9,2 in Stuttgart.

Eine Reihe von Kommunalwahlen im Jahr 1989 - Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, NRW, Baden-Württemberg, sowie Bayern im März 1990 - verschafften den REP eine Flut von Mandaten in den Gemeindeparlamenten. In Hessen war zusätzlich auch noch die NPD erfolgreich, die mit 6,6 Prozent in Frankfurt überraschte.

Vorschnell totgesagt

Die bayerischen Kommunal- und Regionalwahlen gaben aber auch den ersten Anlaß, eine abnehmende Sympathiekurve der REP zu behaupten und ihr baldiges Ende zu prognostizieren. Grundlage war der schwere methodische Fehler, das Sonderergebnis der Europawahl (14,6 Prozent in Bayern) mit dem Kommunalwahl-Ergebnis zu vergleichen, das aufs Land umgerechnet "nur" bei 5,4 Prozent lag. In München holten die REP mit 7,3 Prozent immerhin 6 Mandate im Stadtparlament, aber vielen Kommentatoren schien wichtiger, daß die REP "nur" noch halb soviel Stimmen bekommen hatten wie bei der Europawahl.

Einige Landtagswahlen 1990 und 1991 schienen die Einschätzung allerdings noch zu bestätigen, daß die REP und überhaupt die rechtsextremen Parteien "den Höhepunkt schon überschritten" hätten. Die folgende Zahlenreihe zeigt die entsprechenden Prozentanteile der REP; dahinter zum Vergleich ihre Ergebnisse im jeweiligen Bundesland bei der Europawahl 1989.

  • Saarland (28.1.90): 3,3 (5,8)
  • NRW (13.5.90) : 1,8 (4,1)
  • Niedersachsen (13.5.90): 1,5 (4,8)
  • Bayern (14.10.90): 4,9 (14,6)
  • Hessen (20.1.91): 1,7 (6,5)
  • Rheinl.-Pfalz (21.4.91): 2,0 (4,6)
  • Hamburg (2.6.91): 1,2 (6,0)

Der Vergleich zeigt, daß die REP bei diesen Landtagswahlen sehr stark gegenüber der Europawahl verlor - was aber wegen des speziellen Charakters jener Wahl nicht viel aussagt. Auf einen echten Rückgang deutete hin, daß die REP in Hessen und Hamburg unter ihren Ergebnissen bei der vorangegangenen Bundestagswahl blieb. Die von der Forschungsgruppe Wahlen für das Politbarometer des ZDF laufend erstellten Umfragen ("Wen würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre?") schienen zu bestätigen, daß es mit dem Wählerpotential der REP steil bergab ging. Demnach hatte die REP ihr höchstes Ergebnis im April 1989 mit bundesweit 10,3 Prozent, und seither verlief ihre Kurve abwärts. Im Oktober 1989 lag sie erstmals unter 5 Prozent und im Juni 1990 sogar nur noch bei einem halben Prozent.

Analog zum Niedergang der NPD seit 1969 wurde vielfach angenommen, daß auch der Rückgang der REP-Ergebnisse linear und irreversibel sein werde. Seit Herbst 1990 publizierten Wahlforscher und Politologen Abgesänge auf den "schnellen Aufstieg und tiefen Fall einer Protestpartei am rechten Rand" (Dieter Roth).

Das vorherrschende Deutungsmuster für den vermeintlichen Zusammenbruch der REP lautete: der Partei seien die Wähler weggelaufen, weil mit der "Wiedervereinigung" eines ihrer zentralen Themen plötzlich und erfolgreich von der CDU/CSU besetzt war. Damit wurde vorausgesetzt, daß für die Erfolge der REP (und NPD) 1986-89 die "deutsche Frage" ein entscheidendes Wählermotiv gewesen sei. Diese Annahme ist angesichts des eindeutigen Schwerpunkts der Rechtsextremen auf die "Ausländerproblematik" nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Für einen erheblichen Teil des rechtsextremen Potentials war die "Wiedervereinigung" von Anfang an mehr negativ als positiv besetzt, besonders wegen der Sorge, jetzt "für die Ossis zahlen zu müssen".

Allen Spekulationen über ein rasches Austrocknen der Rechtsextremen machte die Bremer Bürgerschaftswahl am 29.9.91 ein hartes Ende: Die DVU kam auf 6,1 Prozent, in Bremerhaven sogar auf 10 Prozent.

Am 5.4.92 zogen die REP mit 10,9 Prozent (15 Mandaten) in den baden-württembergischen Landtag ein. Baden-Württemberg war auch schon die Hochburg der NPD gewesen, mit 9,8 Prozent 1968.

Ebenfalls am 5.4.92 schaffte die DVU in Schleswig-Holstein mit 6,3 Prozent den Sprung in den Landtag, mit Spitzenergebnissen über 9 Prozent in Lübeck. Die ebenfalls kandidierende REP kam auf 1,2 Prozent.

Die Wahl der Berliner Bezirksverordnetenversammlungen im Mai 1992 bescherte den REP im Westteil der Stadt ein neues Rekordergebnis von 9,9 Prozent. (In Ostberlin "nur" 5,4).

Die Kommunalwahlen in Hessen im März 1993 führten dazu, daß die REP dort Abgeordnete in ca. 80 Prozent aller Gemeinde- und Stadtparlamente schicken konnte. Spitzenergebnisse gab es in Offenbach (15,1), Hanau (14,9), Wiesbaden (13,1) und Frankfurt (9,3). Hinzu kam, daß auch die NPD angetreten war und örtlich ebenfalls erfolgreich war: insgesamt konnte sie die Zahl ihrer kommunalen Mandate um rund 50 Prozent auf 47 steigern. In Frankfurt stimmten neben den 9,3 Prozent der REP auch noch 2,7 für die DVU und 0,9 für die NPD.

In Hamburg scheiterte die REP bei der Bürgerschaftswahl am 19.9.93 mit 4,8 Prozent sehr knapp an der Fünf-Prozent-Grenze. Ohne die Zersplitterung der rechtsextremen Stimmen (2,8 Prozent für die DVU) hätte es bequem gereicht.

Generell ist festzustellen, daß überall, wo Vergleiche möglich sind, die aktuellen rechtsextremen Ergebnisse über denen des NPD-Booms von 1966-68 liegen.

Wer wählt die Faschisten?

Eine kontinuierliche Eigenheit der rechtsextremen Wahlstimmen seit 1945 ist, daß sie weit mehr von Männern als von Frauen kommen. Nur etwa ein Drittel der NPD-Wählerschaft waren Frauen, und gleiches wird heute für die REP und die DVU behauptet. Ob das nun vorwiegend daran liegt, daß Frauen eine überdurchschnittlich große Resistenz gegen das machistische, aggressive Auftreten der Rechtsextremen haben, oder ob sie vielleicht größere Probleme haben, eine radikale Wahlentscheidung zu treffen, ist schwer zu beantworten.

Die meisten übrigen Kennzeichen der rechtsextremen Wählerschaft haben sich in den vergangenen Jahrzehnten verschoben. Die DRP und anschließend die NPD waren im Kern konservative Mittelstandsparteien, die vor allem rückwärts blickten - Ehrenrettung des deutschen Soldaten, Ablehnung der Entnazifizierung und der Kollektivschuld, Wiedergewinnung der deutschen Ostgebiete - und die wenig Voraussetzungen boten, um soziale Unzufriedenheit agitatorisch zu nutzen. Überdurchschnittlich stark gehörten Bauern und kleine Selbständige zu ihren Wählern. Soweit sie auch für Arbeiterwähler attraktiv waren, kamen diese überwiegend aus kleinen oder mittleren Städten sowie aus mittelständischen Betrieben. Den Altersschwerpunkt der NPD bildete die "Kriegsgeneration", die zur Zeit der NPD-Erfolge in den Sechzigern etwa 45-60 Jahre alt war. Jugendliche und Erstwähler waren deutlich unterdurchschnittlich vertreten.

Die REP ist die erste rechtsextreme Partei in der Nachkriegszeit, die ihren altersmäßigen Schwerpunkt bei der jüngsten Wählergruppe (bis 30 Jahre) hat. So wurde nach der Berliner Wahl im Januar 1989 analysiert, daß 14,3 Prozent der Wähler von 18-23 Jahren die REP gewählt hatte; in der Gruppe von 24-29 waren es noch 9,6 Prozent; hingegen hatten nur etwa 4,6 Prozent der Menschen über 60 für die REP gestimmt. In der Gruppe der männlichen Wähler von 18-23 Jahren soll der REP-Anteil sogar 18,8 Prozent betragen haben. Bei Frauen dieses Alters lag der REP-Anteil immerhin bei 9,1 Prozent, verglichen mit 5,9 Prozent im Durchschnitt aller Wählerinnen. Eine Analyse der baden-württembergischen Landtagswahlen 1992 zeigt im Prinzip das gleiche Bild, wenn auch insgesamt die Unterschiede zwischen den Altersgruppen und Geschlechtern nicht ganz so kraß ausfielen wie in der Metropole Berlin.

Alle Wahlen der letzten Jahre ergaben stark überdurchschnittliche Ergebnisse der Rechtsextremen in den klassischen "Arbeiterbezirken" der Großstädte. Eine bundesweite Untersuchung der Europawahl 1989 kommt zur Schlußfolgerung: "Besonders in sozial benachteiligten und städtebaulich abgekoppelten Stadtteilen erhielten die ,Republikaner` Zulauf (...) Vielfach handelt es sich bei diesen großstädtischen Hochburgen um dichtbesiedelte Wohngebiete mit z.T. alten und schlechten Wohnungen, mit mangelnder Infrastruktur und erheblichen sozialen Problemen. Wie Berlin-Neukölln sind es Stadtviertel, die von der städtebaulichen Modernisierung der Zentren und der Prosperität der bürgerlichen Wohlstandsviertel an den Rand gedrängt wurden und leer ausgingen. (...)"

Wo der Arbeiteranteil an der Bevölkerung besonders hoch ist, traditionell Hochburgen der SPD, liegen auch die rechtsextremen Wahlergebnisse weit über dem Durchschnitt. Das haben sämtliche Wahlen der letzten Jahre gezeigt. Hingegen ist der Zusammenhang mit Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit sehr viel weniger deutlich. Zwar fallen selbstverständlich oft Arbeiterwohnviertel mit Zonen relativ hoher Arbeitslosigkeit zusammen, aber die bisherigen Untersuchungen gehen davon aus, daß der Anteil Arbeitsloser an der rechtsextremen Wählerschaft nur unterdurchschnittlich ist.

Abweichend von der skizzierten Struktur der REP-Wähler in den Großstädten ist für die Hochburgen der Partei in Süddeutschland zusätzlich festzustellen, daß sie dort auch im kleinstädtischen und agrarischen Milieu - dies speziell in Bayern - gute Ergebnisse erzielt, auch in prosperierenden Regionen ohne manifeste ökonomische und soziale Probleme.

Eine Infas-Untersuchung zur Landtagswahl in Baden-Württemberg 1992 gab folgende Zahlen für den Prozentanteil der REP-Wähler in einzelnen Gruppen an:

  • Arbeiter 20,5
  • Selbständige 11,3
  • Arbeitslose 9,7
  • Rentner 8,6
  • Angestellte und Beamte 8,5
  • Hausfrauen 6,2

Das Gesamtergebnis der REP war 10,9 Prozent, woraus sich ergibt, daß nur die Arbeiter weit und Selbständige leicht über dem Durchschnitt lagen. Abweichend davon ist eine analoge Untersuchung für die DVU-Wählerschaft bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein 1992. Danach haben - bei einem Gesamtergebnis von 6,3 Prozent - 10,2 Prozent der Arbeiter und 8,1 der Arbeitslosen, aber nur 4,5 Prozent der Selbständigen und der Angestellten/Beamte DVU gewählt.

Bundesweite Untersuchungen der REP-Wählerschaft zeigen, daß Menschen mit Hauptschlußabschluß überdurchschnittlich stark diese Partei gewählt haben, hingegen Abiturienten nur gering vertreten waren, und Wähler mit Mittlerer Reife dazwischen lagen. Das galt aber nur für die Altersgruppen bis 50. Bei den 50- bis 59jährigen bildeten Menschen mit Mittlerer Reife die größte REP-Wählergruppe, und bei den noch Älteren die Abiturienten. So jedenfalls im ersten Halbjahr 1989. Ein Jahr später zeigte dann auch die Gruppe der über 59jährigen das gleiche Bild wie die jüngeren Gruppen.

Sehr stark hat sich seit 1949 die regionale Verteilung der rechtsextremen Wählerschaft verschoben. DRP und SRP, ebenso übrigens auch die DP, waren dezidiert norddeutsche Parteien, mit einem eindeutigen Schwerpunkt in Niedersachsen, wo auch die Mehrheit ihrer Mitglieder beheimatet war. Die REP hingegen ist eine Partei, die in Süddeutschland entstanden ist und dort auch mitgliedermäßig/strukturell ganz eindeutig ihren Schwerpunkt hat, während sie sich im Norden immer noch schwer tut. (vgl. Wahlerfolge der DVU in Bremen und Schleswig-Holstein). Von den DRP-Stimmen bei der Bundestagswahl 1961 kamen nur 23 Prozent aus Bayern und Baden-Württemberg; bei der NPD waren es 1965 und 1969 rund 36 Prozent. Die REP hingegen holte bei der ersten "gesamtdeutschen" Wahl 1990 in den beiden südlichen Bundesländern rund die Hälfte ihrer Stimmen, obwohl dort nur etwa ein Viertel aller Wahlberechtigten lebt. Damit ist auch die früher geltende Feststellung, Katholiken seien vergleichsweise resistent gegen den Rechtsextremismus - soll heißen: gegen das Wählen solcher Parteien, selbstverständlich nicht unbedingt auch gegen deren Ideologie - hinfällig geworden.

In der Ex-DDR, den "fünf neuen Bundesländern", haben REP und NPD bei den bisherigen Wahlen deutlich weniger Stimmen geholt als im Westen:

  • Landtagswahlen am 14.10.90: REP 0,56 %; NPD 0,33 %. Die REP hatte ihr bestes Ergebnis in Brandenburg mit 1,15 %.
  • Bundestagswahl am 2.12.90: REP 1,3 % (im Westen 2,3 %); NPD 0,3 % (im Westen ebenso).
  • Wahl zur Berliner Stadtverordnetenversammlung am 2.12.90: REP 1,9 % (in Westberlin 3,7 %).
  • Wahl zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen im Mai 1992: REP 5,4 % (in Westberlin 9,9 %).

Heute steht die REP in der Ex-DDR vermutlich noch schlechter da als 1990, weil sie als unverkennbare Westpartei ein Fremdkörper geblieben ist und kaum über Organisationsstrukturen verfügt. Chancen haben eher lokale Gruppen, die noch dezidierter faschistisch sind, die aber weit davon entfernt zu sein scheinen, eine flächendeckende rechtsextreme Organisation bilden zu können.

Rechts von der CDU existiert in der Ex-DDR außerdem immer noch die DSU, die von der CSU protegiert wird. Bei der letzten Volkskammerwahl in der DDR (März 1990) erreichte sie immerhin 6,27 Prozent und 25 Mandate. Bei den Landtagswahlen (Oktober 1990) scheiterte sie überall an der Fünf-Prozent-Sperre, bei Höchstwerten von 3,3 und 3,5 Prozent in Sachsen und Thüringen. Bei der Bundestagswahl (Dezember 1990) blieb die DSU in den östlichen Bundesländern unter einem Prozent, was auf die gesamte BRD bezogen einem Ergebnis von 0,2 Prozent entsprach. Somit kann wohl auch dieses Kapitel in der Endlos-Reihe "bundesweite Ausdehnung der CSU" als erledigt gelten.

Schlußfolgerungen?

In der BRD ist bisher weder die Entwicklung einer rechtsextremen Stammwählerschaft noch einer stabilen Partei rechts von der CDU/CSU gelungen, obwohl offenbar rein theoretisch das Potential für beides vorhanden ist: Rechtsextreme Auffassungen sind bei mindestens 15 Prozent der Bevölkerung vorherrschend. Auf die Frage, ob sie vielleicht eine Partei rechts von der CDU/CSU wählen würden oder schon einmal gewählt haben, antworteten im August 1992 bei einer Infas-Untersuchung 19 Prozent mit Ja. Aber noch nicht einmal ein Viertel davon kann wirklich als konstante Wählerschaft rechtsextremer Parteiangebote gelten.

Die starken Schwankungen der rechtsextremen Wahlergebnisse im zeitlichen Verlauf, oft sogar innerhalb kurzer und sehr kurzer Zeitabstände, sowie der evidente Zusammenhang dieses Phänomens mit krisenhaften Entwicklungen legen folgende Schlußfolgerung nahe: Rechtsextremes Wahlverhalten dient (bisher) nicht primär dazu, einem entsprechenden Weltbild Ausdruck zu verleihen, sonst müßte es insgesamt betrachtet sehr viel stabiler und gleichförmiger sein. Es kann vielmehr als Protest- und "Denkzettel"-Verhalten interpretiert werden, das sich an die etablierten Parteien insgesamt und vielleicht besonders an die "eigene" Partei richtet, mit der man in irgendwelchen Einzelpunkten nicht einverstanden ist.

Nicht nur problematisch, sondern schlicht falsch wird es, wenn daraus verharmlosend geschlußfolgert wird, weil die meisten REP-Wähler "nur" Protestwähler sind, seien sie keine Rechtsextremen. Von Dummköpfen und schlichten Gemütern abgesehen, muß man selbstverständlich eine rechtsextreme Grundeinstellung haben, um überhaupt unter bestimmten Umständen die Wahl der REP, NPD oder DVU für eine mögliche Form des Stimmzettel-Protests zu halten. Allerdings sollte man den Anteil der Menschen mit geringem politischen Horizont, die allen Ernstes überlegen, ob sie lieber die Rechtsextremen oder die Grünen wählen sollen, um "die da oben" mal richtig zu ärgern, und die vielleicht sogar noch die PDS in ihre Überlegungen einbeziehen würden, auch nicht völlig unterschätzen.

Eine weitere Schlußfolgerung: Der Anteil der REP- oder DVU-Wähler, die sich Herrn Schönhuber oder Frey als Chef einer Regierung in Bonn wünschen, die sich also eine gesellschaftliche Verfaßtheit entsprechend den rechtsextremen Parteiprogrammen ersehnen, ist minoritär. Das wird u.a. daran deutlich, daß die Zahl der Wähler rechtsextremer Parteien mit abnehmender "Wichtigkeit" der Wahl steigt und mit Abstand am größten bei der Wahl des Europaparlaments war, das kaum jemand ernst nimmt. Weil dies so ist, spielen das negative Erscheinungsbild rechtsextremer Parteien, ihre offenkundige Unseriösität und Inkompetenz, ihre innerparteilichen Schlammkämpfe, ihre gesellschaftspolitischen Gesamtvorstellungen usw. für ihre Erfolgskurve nur eine sekundäre Rolle, solange sie sich aufgrund der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen im Aufwind befinden.

Wie sich die Wahlergebnisse rechtsextremer Parteien weiterentwickeln werden, im "Superwahljahr" 1994 und danach, kann schlecht prognostiziert werden. Die wild ausschlagende Fieberkurve ihrer Ergebnisse seit 1949 beweist diesbezüglich eigentlich nur eines, nämlich eine hochgradige Unberechenbarkeit. Analogieschlüsse aufgrund früherer Verläufe können leicht in die Irre führen, wie die voreilige Voraussage des Untergangs der REP 1990/91 demonstriert.

Ein Einzug in den bayerischen Landtag, vielleicht verbunden mit dem Verlust der absoluten Mehrheit für die CSU, liegt 1994 im Bereich des Möglichen. Allerdings verlangt das Wahlrecht in diesem Bundesland nicht nur ein Gesamtergebnis über 5 Prozent, sondern mehr als 10 Prozent in mindestens einem der sieben Regierungsbezirke. Die NPD schaffte diese Voraussetzung 1966 in Mittelfranken.

Groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Rechtsextremen bei der anstehenden Neuwahl des Europaparlaments wieder erfolgreich sein werden. Völlig offen ist hingegen ihr Abschneiden bei der Bundestagswahl 1994: Die REP lag in den Meinungsumfragen der letzten Monate gleichbleibend bei 5 Prozent, aber das kann sich innerhalb eines Jahres stark nach unten oder vielleicht auch nach oben verändern. Negativ für die Rechtsextremen insgesamt könnte sich auswirken, daß es für die Regierung Kohl 1994 vermutlich um das politische Überleben gehen wird. Es wird also wieder einmal "auf jede Stimme ankommen", um eine Rückkehr der SPD in die Regierung zu vereiteln. Das treibt erfahrungsgemäß einen Großteil der rechtsextrem Gestimmten zum Votum für die CDU/CSU.

Zumindest droht der REP eine Wiederholung der Hamburger Konstellation: ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Sperre aufgrund der Aufsplitterung der rechtsextremen Stimmen. Das könnte rein theoretisch Fusionsprojekten neuen Auftrieb geben, wie sie auch schon in der Vergangenheit wiederholt versucht wurden, aber noch jedesmal gescheitert sind. Die taktische Linie, die Schönhuber um den Preis von zahlreichen Ausschlüssen und Abspaltungen in seiner Partei durchgesetzt hat, zielt auf klare Abgrenzung vom expliziten, skandalösen Rechtsextremismus, wozu insbesondere DVU und NPD gerechnet werden. Daher sind erstens im Wahljahr Fusionsversuche eher unwahrscheinlich, und sie würden zweitens die internen Probleme der Beteiligten erheblich verschärfen.

Die Hypothese, daß aufgrund der anhaltenden und sich eher noch vertiefenden Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, Wohnungsmangel und Mietenexplosion usw. eine Abschwächung der rechtsextremen Wahlergebnisse in nächster Zeit nicht zu erwarten sei, sondern daß eine weitere Steigerung und sogar eine Verstetigung und Stabilisierung zu befürchten sei, ist zweifellos wohlbegründet. Sie muß sich aber nicht unbedingt bewahrheiten. Vielleicht überhöht und verabsolutiert sie auch den Zusammenhang zwischen sozialer Krise und rechtsextremem Wahlverhalten. Vielleicht auch geht diese Hypothese von einem übertriebenen Pessimismus aus, was die Möglichkeiten angeht, auf Krisensituationen anders als rechtsextrem zu reagieren.

Jedenfalls erscheinen die bestehenden Parteien REP, DVU und NPD allesamt ungeeignet, die politische und organisatorische Basis für die Entwicklung einer breiteren rechtsextremen Stammwählerschaft auf Bundesebene abzugeben. Im Vergleich mit den sehr viel "moderneren", effektiveren und eben auch erfolgreicheren Parteien in Frankreich, Italien, Österreich u.a. wird das sehr deutlich: Während REP und ähnliche Parteien sogar das vorhandene rechtsextreme Potential bei weitem nicht auszuschöpfen vermögen, präsentierte sich die italienische MSI bei den letzten Wahlen als eine rechtspopulistische Partei, die weit über faschistische Kreise hinaus Stimmen ziehen kann.

Entwicklungshilfe ist schon angekündigt: "Wir können uns vorstellen, daß wir in absehbarer Zeit in Deutschland mit einer eigenen Freiheitlichen Partei kandidieren", droht FPÖ-Chef Jörg Haider. Vielleicht schon bei den nächsten Wahlen und bundesweit könne das der Fall sein. Die FPÖ wolle nach ihrem Austritt aus der Liberalen Internationale ein neues Kontaktnetz aufbauen, vor allem mit der italienischen Lega Nord und der CSU. Die REP sei jedoch in diese Überlegungen nicht einbezogen, grenzte sich Haider zur schmuddeligen Rechtsaußen-Flanke hin ab. (SZ, 4.12.93)

Das klingt auf den ersten Blick erfolgversprechend und also aus linker Sicht brandgefährlich. Andererseits ist die selbstverständlich weder originelle noch neue Idee, eine "saubere", "moderne", "jungdynamische" rechtsextreme Partei ohne maßgeblichen Einfluß von Altnazis, kleinkarierten Erzkonservativen, Vereinsmeierern, Politclowns, Paranoikern und Streithammeln aufzubauen, bisher in der BRD noch jedesmal an den Realitäten gescheitert. Aus dem gleichen Grund wurde ja auch aus Straußens rein theoretisch völlig einleuchtender Idee einer berechenbaren und koalitionsfähigen Vierten Partei rechts von der CDU nichts: Es stellt sich eben bei jedem neuen rechtsextremen Parteiprojekt als erstes gleich wieder die bekannte alte Klientel ein.

Knut Mellenthin

analyse & kritik, 15. Dezember 1993