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Narrenfreiheit für Anti-Moslem-Hetze

Gibt es Moslemfeindlichkeit in Deutschland? Ja, sagen mehrere Studien auf nationaler und europäischer Ebene. Ihnen zufolge sind antimoslemische Ressentiments und Diskriminierungen in Deutschland sogar relativ weit verbreitet. Nicht nur unter den Dummen im Land, sondern auch im sogenannten Bildungsbürgertum.

Nein, sagt der Spiegel-Journalist Henryk Broder, Autor der politischen Aufklärungsfibel "Hurra, wir kapitulieren", in der er die "Transformation Europas in einen islamischen Kontinent" und die "vorauseilende Selbstaufgabe" der europäischen Eliten vor dieser Entwicklung beklagt. Dem Zentralrat der Juden in Deutschland wirft Broder die Beteiligung an einem Symposion unter dem Titel "Antisemitismus, Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit" vor. "Er gibt damit dem Phantombegriff 'Islamophobie' den Anschein des Realen", so Broder.

Broders Urteil überrascht nicht. Findet sich doch unter den Links auf seiner "Offiziellen Homepage" (www.henryk-broder.de) auch ein Verweis auf die wohl übelste aller deutschsprachigen antimoslemischen Internetseiten, Politically Incorrect (www.politicallyincorrect.de). Neben tendenziös ausgewählten und aufgemachten Nachrichten, in denen vor allem angebliche "Moslemfreunde" angeprangert werden, bestehen die PI-Seiten überwiegend aus Blogs, wo die Leser ihre Kommentare plazieren können. Im Unterschied zur Mehrzahl der Internet-Blogs wird bei PI aber kaum gestritten. Das lässt auf eine strenge Auswahl der veröffentlichten Beiträge schließen. Umso mehr muss sich der Gründer und Betreiber von PI, der Sportlehrer Stefan Herre, für die dort zu lesenden volksverhetzenden Texte verantwortlich machen lassen.

Was einige von Herres Anhänger zum Besten geben, würde vermutlich zu einem schnellen Ausschlussverfahren aus der NPD reichen. Moslems werden verächtlich nur als "Musels" oder "Musel-Plebs" bezeichnet, Verhöhnungen wie "Muselaffen" sind gleichfalls beliebt. Im NS-Jargon ist von "Bazillen", "Parasiten" und "Unkraut" die Rede. Auch vor Mordphantasien und -aufforderungen wird nicht zurückgeschreckt.

Friedel Frechen, der Pressesprecher der Stadt Bonn, gehört zu den wenigen Politikern, denen PI ein kritisches Wort wert war. "Finden Sie das rechtspopulistische Gesabbel in Ihrem Blog nicht selbst zum Kotzen?", mailte er am 22. Januar an Stefan Herre. Der schlug die feine Gelegenheit, sich der Form halber von seinem rechtsextremen Gefolge zu distanzieren, jedoch aus. Stattdessen bezeichnete er Frechen als "linken Islamliebhaber" und verwahrte sich gegen die "Beschimpfung" seiner Anhänger.

Es wirft ein schlechtes Licht auf unsere Politiker, dass der Bonner Pressesprecher allein auf weiter Flur steht und jetzt in PI einer Diffamierungskampagne ausgesetzt ist. Internetseiten dürfen nicht länger ein rechtsfreier Raum für Volksverhetzung sein. Und eine Webseite wie PI sollte öffentlich so geächtet werden, dass kein Mainstream-Journalist sich mehr traut, sie unter seinen Links zu führen.

Knut Mellenthin

SOZ (Sozialistische Zeitung), Februar 2007