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Broders einzige Sorge

Zu den geistigen Leitbildern, die Anders Behring Breivik in seinem „Manifest“ zitiert, gehört auch WELT-Journalist Henryk Broder. Unter anderem hatte es dem norwegischen Massenmörder Broders Klage angetan, dass sich Europa widerstandslos dem Islam unterwerfe und dass man „freiheitsliebenden“ jungen Menschen nur zur Auswanderung raten könne. Kollegen vom Tagesspiegel, die Broder deswegen um eine Stellungnahme baten, bekamen von ihm die nicht wirklich überraschende Antwort zugemailt: „Ich würde es heute wieder genau so sagen.“

Weiter berichtete der Tagesspiegel am Sonntag: „Auf die Frage, ob er sich jetzt irgendwelche Sorgen mache, dass er nun weltweit in so einem Zusammenhang exponiert werde, antwortete Broder, der zurzeit in England ist: 'Das einzige, worüber ich mir Sorgen mache, ist, woher ich Ersatzteile für meinen Morris Traveller aus dem Jahre 1971 bekomme. Sogar in England werden die Teile knapp.'“

Vielleicht führt dieser Kommentar selbst im Hause Springer zu der Einsicht, dass der Mann schlichtweg unappetitlich und untragbar ist.

Andere von Breivik Zitierte waren bemüht, öffentlich auf Distanz zu gehen. So verwahrte sich die rechtsextreme English Defence League mit einer Stellungnahme gegen die Behauptung des Norwegers, 600 EDL-Mitglieder seien seine „Freunde“ bei Facebook und er habe mit Dutzenden von Mitgliedern und Führern der EDL diskutiert: Es habe keinerlei offizielle Kontakte zu Breivik gegeben und es seien keine Einträge von ihm auf den Facebook-Seiten der Organisation zu finden.

Der in der Rassistenszene sehr stark frequentierte Blog Gates of Vienna schloss am Sonntag „aufgrund der ungewöhnlichen Lage, in der wir uns derzeit befinden“, vorübergehend seine Seiten. Der unter dem Pseudonym Baron Bodissey operierende Betreiber des Blogs behauptete, die „Gegner des Dschihad“ hätten niemals Gewalt befürwortet.

Robert Spencer, der die Website Jihad Watch betreibt, beklagte sich über „das Spiel mit den Schuldzuweisungen“. Kinder zu töten habe nichts mit irgendetwas zu tun, das er jemals vertreten habe. Dass Breivik seitenweise Texte von ihm in sein „Manifest“ eingebaut hatte, erwähnte Spencer in seiner Stellungnahme nicht.

Die US-amerikanische Rechtszionistin Pamela Geller, deren moslemfeindlicher Blog Atlas Shrugs von Breivik mehrfach zitiert wurde, schrieb am Sonntag, dass jede Annahme einer Verantwortung für dessen Mordtat „lächerlich“ sei. „Wenn irgendetwas ihn zur Gewalt angestachelt hat, dann waren es die islamischen Suprematisten“ (Verfechter der Vorherrschaft einer Religion, Nation oder Rasse).

Die deutsche Website Politically Incorrect, die in besonders aggressiver Weise ihren Antimoslemismus mit Bekenntnissen zu Israel verbindet, hatte in ihrer ersten Reaktion geschrieben „Warum bombt Islam ausgerechnet in Oslo?“ und sich selbst auch gleich die Antwort gegeben: „Wie in Skandinavien üblich, gab man sich in Oslo immer liberal, hat jeden Verbrecher aufgenommen und machen lassen und nie mehr ausgewiesen“. Als sich die Moslem-Version absolut nicht mehr aufrecht erhalten ließ, beklagte PI die Ereignisse als „konservative Katastrophe“.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 26. Juli 2011