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"Zivilisten zuerst"

Obama lässt pakistanische Kinder töten

Der seit kurzem amtierende Kommandeur der US-amerikanischen und NATO-Streitkräfte in Afghanistan, General Stanley McChrystal, will in den nächsten Tagen neue Anweisungen für die Kriegführung geben. Sie sollen, wie das Pentagon vorab durchsickern ließ, die Zahl der Verluste in der Zivilbevölkerung reduzieren. US-Mainstream-Medien haben für die noch gar nicht existierende neue Strategie auch schon einen Namen parat: „civilians come first“.

Zwar hatte auch schon McChrystals Vorgänger, General David McKiernan, im vorigen Jahr angeordnet, dass die Anwendung von tödlicher Gewalt auf ein Minimum zu beschränken sei. Das hatte Massaker wie im Mai in der Provinz Herat, wo über 100 Zivilisten bei einem Luftangriff getötet wurden, nicht verhindert. Aber die Befehle des Neuen würden „genauer“ und „schärfer formuliert“ sein als die bisherigen Richtlinien, versprach US-Militärsprecher Greg Smith am Montag.

Angeblich sollen US- und NATO-Streitkräfte künftig darauf verzichten, Wohngebäude zu beschießen oder gar zu bombardieren, in denen sich bewaffnete Gegner verstecken, sofern ein Rückzug ohne eigenes Risiko möglich ist. „Denn wir wissen, dass sich in solchen Gebäuden oft Zivilisten befinden, die von den Taliban als Geiseln genommen wurden“, erläuterte Smith.

Einen Tag nach der Ankündigung des Militärsprechers praktizierte die US-Administration schon wieder „killing as usual“: Beim bisher schwersten Drohnenangriff gegen pakistanisches Gebiet seit der Amtseinführung von Barack Obama wurden am Dienstag mehr als 80 Menschen getötet. Ziel der Attacke war eine Begräbnisfeier in einem Dorf des Bezirks Südwasiristan. Mehr als 5000 Menschen, darunter nahe und ferne Verwandte ebenso wie Bewohner der Gegend, waren zusammengekommen, um sieben Talibankämpfer zum Grab zu geleiten, die wenige Stunden vorher bei einem anderen Drohnenangriff ums Leben gekommen waren.

Eine Totenfeier anzugreifen, gehört zum Feigsten und Hinterhältigsten, was auf dem Gebiet der Kriegführung machbar ist. Zumal wenn die Trauergemeinde wie in diesem Fall mehrheitlich aus Nicht-Kombattanten besteht. Dass die zwei oder drei Raketen, die von der Drohne in die Menschenmenge geschossen wurden, zwangsläufig auch Kinder und Frauen zerfetzen würden, war vorhersehbar und einkalkuliert. Die „Helden“, die in der weit entfernten Bodenstation auf die Knöpfe drückten, müssen zuvor die von der Drohne gesendeten Aufnahmen von der Menschenansammlung auf ihren Bildschirmen gehabt haben, wussten also mit tödlicher Sicherheit, was sie taten. Nach international anerkannten Maßstäben handelt es sich eindeutig um ein Kriegsverbrechen.

Die englischsprachigen pakistanischen Medien sind sich in ihren Berichten einig, dass unter den Opfern des zweiten Angriffs keine namhaften Taliban-Kommandeure waren. Etwa 40 der Getöteten seien „low-level militants“, einfache Kämpfer, gewesen. Die anderen Opfer werden als Zivilisten bezeichnet, Familienangehörige und Dorfbewohner. Zehn Tote seien Kinder zwischen fünf und zehn Jahren gewesen, meldete The News am Donnerstag. Auch vier örtliche Stammesälteste seien ums Leben gekommen. 58 Verletzte, viele von ihnen in kritischem Zustand, seien ins nächstgelegene, schlecht ausgestattete Krankenhaus transportiert worden. Die meisten Verletzten seien alte Menschen, so The News unter Berufung auf die Ärzte.

Seit Obama Präsident der USA ist, hat er schon 20 Drohnen-Attacken gegen Pakistan durchführen lassen. Über 150 Menschen wurden dabei getötet.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 27. Juni 2009