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Wut verraucht
Die pakistanischen Vorschläge für eine Neugestaltung der Beziehungen zu den USA wirken schwach und konsequenzlos.
Das pakistanische Parlament hat am Dienstag seine lange erwartete Debatte über die Neugestaltung der Beziehungen zu den USA begonnen. In einer gemeinsamen Sitzung hörten Abgeordnete und Senatoren die Empfehlungen eines eigens für diesen Zweck eingesetzten Ausschusses – und vertagten sich anschließend auf nächsten Montag. Die Opposition hatte beanstandet, dass sie sich mit den bis zu diesem Zeitpunkt geheim gehaltenen Vorschlägen erst einmal vertraut machen müsse. In einem für Pakistan bisher einmaligen Verfahren soll die endgültige Entscheidung über den künftigen Rahmen der Beziehungen zwischen Islamabad und Washington den beiden Häusern des Parlaments vorbehalten bleiben. So weit zumindest die Theorie. Über die Praxis wird vermutlich noch einige Zeit diskutiert und gestritten werden.
Der Parlamentarische Ausschuss für Nationale Sicherheit – englisch abgekürzt PCNS – war von der Regierung im Dezember vorigen Jahres eingesetzt worden, um das gesamte Gefüge der Beziehungen zu den USA zu überprüfen. Dem Gremium gehören 16 Mitglieder an, die angeblich das gesamte parteipolitische Spektrum repräsentieren. Unmittelbarer Anlass dieser Aktion war der Angriff US-amerikanischer Kampfflugzeuge und -hubschrauber auf zwei pakistanische Stellungen nahe der Grenze zu Afghanistan in der Nacht vom 26. auf den 27. November. 24 Soldaten wurden dabei getötet. Seither hat Pakistan den Transport des Nachschubs für die NATO-Truppen unterbrochen.
Die immer noch nicht vollständig im Wortlaut veröffentlichten Empfehlungen des PCNS wirken, soweit sie sich nach den bisherigen – recht ausführlichen und detaillierten – Presseberichten beurteilen lassen, auffallend schwach und verschwommen. Insgesamt scheinen sie kaum irgendwelche Vorbedingungen und Anforderungen für eine volle Wiederherstellung der Beziehungen zu den USA zu formulieren.
So wird zum Beispiel keineswegs verlangt – wie es zu Anfang noch hieß -, dass Washington sich für den Angriff vom 26. November 2011 entschuldigen müsse. Der Ausschuss empfiehlt lediglich der pakistanischen Regierung, sich bei den USA für einen solchen Schritt einzusetzen. Ein weiteres Beispiel: Der PCNS fordert die Einstellung der US-amerikanischen Drohnenangriffe auf Ziele in Nordwestpakistan. Die Empfehlungen enthalten aber offenbar keine Optionen für den nicht nur voraussehbaren, sondern wahrscheinlichen Fall, dass die Obama-Administration sich um die Meinung der Pakistanis zu diesem Thema weiter so wenig kümmert wie bisher. Das Parlament hat schon mindestens fünf Mal einstimmig ein Ende dieser Angriffe gefordert. Eine Resolution beider Häuser des Parlaments im Mai 2011 war sogar mit der Aufforderung an die pakistanische Regierung verbunden, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die jetzt vorliegende Empfehlung scheint hinter diesen Stand zurückzufallen.
Die wichtigste Oppositionspartei, die PML-N, hat den Bericht des PCNS unter diesem und anderen Aspekten bereits kritisiert und angekündigt, dass sie in der Parlamentsdebatte Änderungen verlangen wird. Sie muss sich von der regierenden Volkspartei jedoch entgegenhalten lassen, dass ihre beiden Vertreter im Ausschuss die Empfehlungen mitunterzeichnet und auf die Möglichkeit einer persönlichen Stellungnahme verzichtet haben. Als einzige Partei soll die fundamentalistische Jamaat-i-Islami im PCNS gegen den Bericht gestimmt haben.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 22. März 2012