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Wie weiter gegen die Taliban?

Die pakistanische Regierung fürchtet einen allgemeinen Aufstand in den Stammesgebieten

Über den Fortgang des Feldzugs gegen die Taliban in Nordwestpakistan herrscht Unklarheit. Während die Ende April begonnene Offensive der pakistanischen Streitkräfte in drei Distrikten der Grenzprovinz (NWFP) anscheinend weitgehend abgeschlossen ist, verdichten sich seit mehreren Wochen die Anzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden Großangriff auf die sogenannten Stammesgebiete (FATA), insbesondere die Bezirke Nord- und Südwasiristan.

Inzwischen haben Regierung und Militärführung der Taliban-Gruppierung um Baitullah Mehsud, die ihren Schwerpunkt in Südwasiristan hat, den Krieg „bis zur Vernichtung“ erklärt, auch wenn große Armee-Operationen dort immer noch ausstehen. Auf der anderen Seite ließen die Streitkräfte am Mittwoch über Nordwasiristan große Mengen Flugblätter abwerfen, in denen versichert wurde, dass in diesem Bezirk keine Offensive geplant sei. Vielmehr werde man sich weiter an das Friedensabkommen halten, das im Februar 2008 mit dortigen Stammesführern geschlossen wurde.

Ebenfalls am Mittwoch griffen aber Kampfhubschrauber ein Dorf in Nordwasiristan an, wobei zwei Frauen und ein Kind getötet wurden. Vier Frauen und zwei Kinder wurden schwer verletzt. Die Aktion war offenbar als „Vergeltung“ für den Überfall auf einen Militärkonvoy gemeint, bei dem in Nordwasiristan am Sonntag 30 bis 40 Soldaten getötet worden waren. Ausgeführt hatte diesen Angriff die Gruppierung um Hafis Gul Bahadur, die bis vor kurzem noch als Verbündete der Regierung oder zumindest als neutral gegolten hatte.

Einen Tag später kündigte Bahadur sein Friedensabkommen mit der Regierung auf. Er begründete das mit den häufigen Drohnen-Überfällen der USA auf Ziele in Nordwasiristan und mit den zunehmenden Angriffen der pakistanischen Luftwaffe gegen die Stammesgebiete. Vor diesem Hintergrund ist die Propaganda-Aktion der Streitkräfte zu sehen, mit der die Bevölkerung des Bezirks beruhigt werden soll. Die Taktik der Militärführung besteht darin, die unterschiedlichen Kräfte in der Region möglichst lange gegeneinander auszuspielen und sie nacheinander zu zerschlagen. Auf jeden Fall soll ein allgemeiner Aufstand in den Stammesgebieten vermieden werden, der die Streitkräfte vor weit ernstere Herausforderungen stellen würde als die bisherigen Operationen in der Grenzprovinz.

Der Regierung in Islamabad dürfte klar sein, dass auf die Unterstützung der Bevölkerung für die Militäroperationen nur bedingt Verlass ist und dass diese sehr vom Verlauf und den Folgen der Kriegshandlungen abhängig ist. Einer am Montag veröffentlichten Umfrage zufolge halten 81 Prozent der Pakistanis die Taliban für eine schwere Bedrohung ihres Landes. Damit scheint der massiven Regierungspropaganda der letzten Monate ein großer Erfolg gelungen zu sein, denn bei einer Ende 2007 durchgeführten Untersuchung lag dieser Anteil nur bei 34 Prozent. 70 Prozent äußerten in der neuen Umfrage Sympathie für das militärische Vorgehen der Regierung.

Wieweit diese von der University of Maryland (USA) durchgeführte Untersuchung durch geschickt formulierte Fragestellungen beeinflusst war, ist unklar. Wichtig ist auf jeden Fall die Tatsache, dass die Umfrage zwischen dem 17. und 28. Mai durchgeführt wurde, also in einer frühen Phase der Militäroperationen, als deren ganzes Ausmaß noch nicht offensichtlich war. Inzwischen hat insbesondere die Vertreibung von rund drei Millionen Menschen aus den Bürgerkriegsgebieten und die weitgehenden Zerstörungen, die die Offensive hinterlassen hat, auch nach Meinung der überwiegend prowestlich gestimmten englischsprachigen Medien Pakistans für einen Rückgang der Zustimmung gesorgt.

Der erwähnten Umfrage zufolge scheint der Obama-Boom , der angeblich auch viele Moslems angesteckt haben soll, zumindest an Pakistan vorbeigegangen zu sein. Nach den Zielen des neuen US-Präsidenten befragt, gaben 93 Prozent der Befragten an, er wolle der islamischen Welt die amerikanische Kultur aufzwingen. 86 Prozent missbilligen Barack Obamas Entscheidung, den Afghanistankrieg militärisch zu eskalieren, 79 Prozent fordern die sofortige Beendigung der NATO-Intervention im Nachbarland.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 3. Juli 2009