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Tötungs-Programm ohne Kontrollen

Die Drohnenangriffe der USA gegen Pakistan werden erstmals in der UNO kritisiert.

Ein Vertreter der Vereinten Nationen hat die US-amerikanischen Drohnenangriffe gegen Pakistan scharf kritisiert. Der Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrats für „außergerichtliche, summarische und willkürliche Exekutionen“, Philip Alston, sprach am Dienstag auf einer Pressekonferenz, nachdem er der Vollversammlung der UNO seinen Bericht vorgelegt hatte.

Die USA haben seit 2006 mehr als 80 mal Ziele in Nordwest-Pakistan, hauptsächlich in Nord- und Südwasiristan, angegriffen und dabei zwischen 750 und 1000 Menschen getötet. Nach vorsichtigen Schätzungen waren mindestens ein Viertel der Opfer Zivilisten. Mit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama am 20. Januar wurde die Frequenz der Angriffe erheblich gesteigert. In den vergangenen neun Monaten gab es ebenso viele Drohnen-Attacken wie in der gesamten Amtszeit von George W. Bush.

Zuständig für den Einsatz unbemannter Flugkörper gegen Pakistan ist nicht das Militär, sondern der Geheimdienst CIA. Das hat zur Folge, dass die Angriffe keinerlei öffentlichen Kontrolle und Rechenschaft unterliegen. Die Grundsätze, nach denen sie durchgeführt werden, sind ebenso unbekannt wie die jeweiligen Ziele der einzelnen Aktionen.

Alston, der Professor für Recht an der Universität von New York ist, äußerte vor der Presse die Sorge, dass die Drohnen-Attacken unter Bedingungen stattfänden, die möglicherweise das internationale Recht verletzen und gegen die Menschenrechte verstoßen. Dies zu untersuchen sei aber wegen des absoluten Mangels an Transparenz und wegen der fehlenden Kooperationsbereitschaft der USA unmöglich.

Die Regierung in Washington habe alle Auskünfte verweigert, klagte Alston. Sie habe das mit der Behauptung begründet, dass weder der Menschenrechtsrat noch die Vollversammlung der Vereinten Nationen irgendein Recht hätten, sich mit Tötungen zu beschäftigen, die während bewaffneter Konflikte stattfinden. Das würde die große Mehrheit aller Tötungsfälle betreffen, die derzeit in diesen Körperschaften erörtert werden, sagte Aliston. Als Beispiele nannte er den Bürgerkrieg im Kongo, den Goldstone-Bericht über Israels Gaza-Krieg, sowie die bewaffneten Konflikte in Kenia und Sri Lanka.

Diese US-amerikanische Position sei „unhaltbar“. „Die Bringeschuld liegt bei der Regierung der Vereinigten Staaten, mehr darüber zu enthüllen, auf welche Weise sie sicherstellen will, dass durch den Einsatz dieser Waffen tatsächlich keine willkürlichen, außergerichtlichen Exekutionen ausgeführt werden.“ - Die US-Regierung müsse offenlegen, auf welcher rechtlichen Grundlage diese Operationen stattfinden, welche Strukturen für die Durchführung des Programms verantwortlich sind und welche Rechenschaftsmechanismen existieren. Außerdem müsse Washington mitteilen, welche Vorsichtsmaßnahmen getroffen sind, um sicher zu stellen, dass die bewaffneten Drohnen ausschließlich für Zwecke eingesetzt werden, die mit dem internationalen und Menschenrecht im Einklang stehen. Anderenfalls wäre das Ergebnis, dass die CIA ein Programm durchführt, das eine beträchtliche Anzahl Menschen tötet, ohne dass es die geringste Rechenschaftslegung nach den Maßstäben des einschlägigen internationalen Rechts gibt.

In den USA wurde die Problematik der Drohnenangriffe lange Zeit ignoriert. Sie ist gerade erst kürzlich durch einen Artikel von Jane Mayer, den das Magazin The New Yorker in der Ausgabe vom 26. Oktober veröffentlichte, in die Diskussion geraten.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 29. Oktober 2009