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Regierungswechsel in Pakistan

Gilanis Nachfolger gilt in der Bevölkerung als korrupt und inkompetent.

Pakistan hat einen neuen Premierminister. Mit einer klaren Mehrheit von 211 Stimmen entschied sich das Parlament in Islamabad am Freitag für den von der regierenden Volkspartei (PPP) und ihren Koalitionspartnern nominierten Raja Pervaiz Ashraf. Er war zuletzt Minister für Informationstechnologie. Sein Konkurrent Sardar Mehtab Abbasi, der Kandidat der größten Oppositionspartei PML-N , bekam nur 89 Stimmen.

Die Wahl war erforderlich geworden, nachdem der Oberste Gerichtshof des Landes am vorigen Dienstag den bisherigen Regierungschef Yousuf Raza Gilani rückwirkend für amtsunfähig erklärt hatte. Gilani war am 26. April wegen Missachtung des Gerichts zu einer rein symbolischen Haftstrafe von weniger als einer Minute verurteilt worden. Der Oberste Gerichtshof entschied jetzt, dass der PPP-Politiker auf Grund dieser Vorstrafe nicht Premierminister sein darf und dass daher das Amt seit dem 26. April vakant ist.

Grund der Verurteilung war, dass Gilani sich geweigert hatte, einer Aufforderung des Gerichts nachzukommen, bei der Schweizer Regierung eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Präsident Asif Ali Zardari – ebenfalls PPP – zu beantragen. Gegen den als hochgradig korrupt geltenden Zardari und seine Frau, die im Dezember 2007 ermordete Benazir Bhutto, war in der Schweiz im Jahre 2003 ein Strafprozess wegen Geldwäsche eingeleitet worden. Durch einen von der US-Regierung vermittelten Deal mit dem damaligen Militärdiktator Pervez Musharraf kamen Zardari und Bhutto im Oktober 2007 in den Genuss einer Amnestie, um ihnen die Rückkehr nach Pakistan – und damit eine von den USA kontrollierte Wiederherstellung der Demokratie – zu ermöglichen. Der Oberste Gerichtshof erklärte diese Amnestie jedoch am 16. Dezember 2009 für verfassungswidrig. Gilani rechtfertigt seine Weigerung, den „Schweizer Brief“ zu schreiben, mit der Immunität Zardaris als Präsident. Schon jetzt ist absehbar, dass sein Nachfolger wieder vor dem selben Konflikt mit dem Gerichtshof stehen wird.

Die PPP hatte nach der Amtsenthebung Gilanis zunächst Textilminister Makhdoom Shahabuddin als neuen Premierminister nominiert. Die Parteiführung war aber gezwungen, sich neu zu orientieren, nachdem ein Gericht in Rawalpindi am Donnerstag Haftbefehl gegen den Kandidaten erlassen hatte. Shahabuddin wird als ehemaligem Gesundheitsminister Mitschuld am illegalen Import des international kontrollierten Medikamenten- und Drogenbestandteils Ephedrin vorgeworfen. Gilanis Sohn Ali Musa soll ebenfalls in die Affäre verwickelt gewesen sein.

In Pakistan scheint ein Mangel an Politikern zu bestehen, gegen die keine strafrechtlichen Ermittlungen laufen: Auch der neue Regierungschef Ashraf steht unter Korruptionsverdacht. Als Minister für Wasser und Strom zwischen März 2008 und Februar 2011 soll er Schmiergelder für den Handel mit Stromgeneratoren auf Mietbasis kassiert und dafür Grundeigentum in London erworben haben. In der Bevölkerung wird er deshalb mit dem Spottnamen „Miet-Raja“ bezeichnet. Ashraf gilt außerdem als einer der Schuldigen für die Energieknappheit Pakistans, die dazu geführt hat, dass manche Landteile bis zu 22 Stunden am Tag keinen Strom haben.

Indessen berichteten US-amerikanische Medien am Freitag, dass in führenden Kreisen Washingtons immer wieder über den Einsatz von Boden- oder Luftlandetruppen auf pakistanischem Gebiet diskutiert werde. Verteidigungsminister Leon Panetta hatte am 7. Juni bei einem Besuch in Kabul gedroht, die US-Regierung sei „am Ende ihrer Geduld“ mit Pakistan.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 25. Juni 2012