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Rache für Bin Laden
Mindestens 12 Militärangehörige wurden am Montag bei Schießereien im pakistanischen Marinestützpunkt Mehran getötet. Außerdem gab es 16 Verletzte. 15 bis 20 Angreifer hatten in der Nacht die Anlage in Karatschi, der größten Stadt des Landes, überfallen und sich in mehreren Gebäuden verschanzt. Erst nach achtzehn Stunden erklärte die militärische Führung, dass es keinen Widerstand mehr gebe und nun die Durchsuchung des Geländes beginnen werde. Erst nach deren Abschluss werde man die Zahl der getöteten Angreifer mitteilen. Während der Aktion wurden Waffen und Geräte in großem Umfang zerstört, darunter zwei von den USA erst im Oktober vorigen Jahres gelieferte See-Überwachungsflugzeuge des Typs P-3C Orion.
Die Angreifer wurden in ersten Meldungen der militant islamistischen Organisation Tehrik-e-Taliban Pakistan zugeordnet, doch war das am Montag bei Redaktionsschluss noch völlig ungewiss, da nicht einmal eine Stellungnahme der TTP vorlag. Zitiert wurde lediglich ein „Talibansprecher“ namens Ehsanullah Ehsan, der die Operation in einem Anruf bei Reuters als Rache für die Tötung Osama bin Laden durch ein US-Kommando am 2. Mai bezeichnet haben soll.
Ehsan hatte zuvor auch schon am 13. Mai der britischen Nachrichtenagentur telefonisch mitgeteilt, dass der Anschlag auf eine Militärschule im nordwestpakistanischen Shabqadar eine Vergeltung für den Tod Bin Ladens sei. Bei zwei von Selbstmordattentätern ausgelösten Explosionen waren 89 Menschen getötet und 140 verletzt worden. Die meisten Opfer waren Rekruten einer paramilitärischen Polizeieinheit.
Seltsam an den „Bekenneranrufen“ ist, dass Ehsan nach bisherigen Erkenntnissen nicht etwa für eine pakistanische Organisation, sondern für die afghanischen Taliban spricht.
In der vergangenen Woche hatte die US-Regierung mehrere Vertreter nach Islamabad geschickt, um ihre pakistanischen „Partner“ dazu zu nötigen, eine Reihe nicht öffentlich erläuterter Verpflichtungen zu akzeptieren. Nach Aussagen von Barack Obamas Sondergesandten Marc Grossman, der Pakistan am Donnerstag besuchte, hat die politische und militärische Führung des Landes einer Reihe von „Aktionen“ zugestimmt. Diese seien „konkret, präzis, messbar und in vielen Fällen gemeinsam“ mit US-Stellen.
Mit Grossman war eine große Delegation des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, angeblich rund 20 Personen, nach Islamabad gekommen, die dort zu mehrtägigen Verhandlungen mit ihren pakistanischen Kollegen vom ISI blieb. Ziel soll die detaillierte Ausarbeitung eines Geheimabkommens sein, mit dem die Unterwerfung Pakistans unter die US-amerikanischen Forderungen besiegelt werden soll.
Gleichzeitig hielt sich Premier Yousuf Raza Gilani zu einem seit langem geplanten viertägigen Besuch in China auf. In seinen Reden lobte er das Nachbarland als „zuverlässigen Allwetterfreund“, zu dem Pakistan jederzeit stehen werde. Besonders übel dürfte man in Washington Gilanis Satz vermerkt haben, dass „in diesen turbulenten Zeiten“ China „die einzige Stimme der Vernunft in internationalen Angelegenheiten“ sei.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 24. Mai 2011