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Pakistan hat null Bock auf Bürgerkrieg

Präsident George W. Bush wirkt in diesen Tagen wie der kultivierteste und gemütlichste Vertreter der politischen Klasse der USA. Seinen Gast aus Pakistan, Ministerpräsidenten Yousuf Raza Gilani, empfing er am Montag im Weißen Haus mit freundlichen Sätzen wie „Alles in allem ist Pakistan ein starker Verbündeter und eine lebendige Demokratie.“

Hört und liest man dagegen, was andere US-Politiker und die Mainstream-Medien der Staaten von sich geben, ist vor allem von „Frustration“ über Pakistan die Rede, und davon, dass die USA kurz davor sind, „die Geduld zu verlieren“. Die Chefredaktion der New York Times sprach am Montag in einem Leitartikel aus, was die politische Klasse der Vereinigten Staaten von ihrem „Schlüsselverbündeten“ verlangt: „Sie müssen ihren Wählern sagen, dass Extremismus auch Pakistan bedroht – und dass das nicht nur Amerikas Kampf ist.“ Und zweitens: Pakistan „muss mehr in der Aufstandsbekämpfung ausgebildete Elitetruppen schicken, um al-Kaida und die Taliban anzugehen.“

Gemeint ist der an Afghanistan grenzende Nordwesten des Landes, ungefähr ein Zehntel der Fläche Pakistans, und nach vorherrschender westlicher Ansicht „eine sichere Zufluchtsstätte“ für Bin Laden und Konsorten. Dass der „internationale Terrorismus“ die USA bedroht, ist allerdings schwer einzusehen, nachdem seit dem 11. September 2007 kein einziger Anschlag gegen das Territorium der Vereinigten Staaten verübt wurde. Als Argument für eine eskalierende Kriegführung, die schon mehr als 700 Milliarden Dollar verschlungen hat, scheint der Wahn aber unausrottbar.

Der „internationale Terrorismus“ bedroht auch Pakistan nicht – sofern das Land sich nicht in einen Bürgerkrieg treiben lässt, der voraussehbar verheerende Folgen hätte. Das wissen die meisten Pakistanis, wie zuletzt eine im Juni durchgeführte Umfrage des International Republican Institute (IRI) zeigte, das den Republikanern der USA nahe steht.

Der Umfrage zufolge gaben nur weniger als 1 Prozent der befragten Pakistanis al-Kaida als ihre Hauptsorge an. 2 Prozent nannten Selbstmordanschläge – deren Zahl seit der blutigen Erstürmung der Roten Moschee in Islamabad vor einem Jahr sprunghaft angestiegen ist – als vorrangiges Problem. Nur 27 Prozent der Pakistanis billigen ein militärisches Vorgehen gegen die Aufständischen im nordwestpakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan. 71 Prozent unterstützen die von den USA abgelehnten Versuche der pakistanischen Behörden, mit den militanten Kräften der „Stammesgebiete“ zu verhandeln; 65 Prozent sind auch für den Abschluss von Friedensverträgen.

Kein Wunder also, dass Ministerpräsident Gilani bei seinem Besuch in Washington konkrete Festlegungen vermeidet und immer wieder vor einer militärischen Intervention der USA warnt. Etwas anderes könnte die erste demokratische Regierung nach acht Jahren Militärregime zuhause nicht verkaufen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 30. Juli 2008