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Pakistan: Abkommen mit den Taliban

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari hat am Montag das umstrittene Gesetz über die offizielle Legalisierung der Scharia, der islamischen Gerichtsbarkeit, in einem Teil der Nordwest-Grenzprovinz (NWFP) unterzeichnet. Zuvor hatte das pakistanische Parlament den Präsidenten in einstimmiger Abstimmung dazu aufgefordert. Die sozialliberale, antifundamentalistische MQM (Vereinigte Nationalbewegung), eine Partei der Regierungskoalition, beteiligte sich nicht an der Abstimmung. Sie protestierte damit weniger gegen den Inhalt der Resolution als gegen die am Vortag von einem Fundamentalisten-Sprecher veröffentlichte Drohung, alle Abgeordneten, die gegen die Legalisierung der Scharia stimmen, würden als „Abtrünnige“ vom Islam betrachtet und behandelt.

Durch die Unterschrift des Präsidenten tritt nun ein Abkommen in Kraft, das schon Mitte Februar zwischen der Provinzregierung der NWFP und Sufi Mohammad, dem Führer einer fundamentalistischen Gruppe, geschlossen worden war. Entgegen westlichen Darstellungen bestätigt diese Vereinbarung lediglich frühere Regelungen. Die 1992 von Sufi Mohammad gegründete Gruppe hatte eine entsprechende Provinzgesetzgebung schon 1994 erreicht. Allerdings gab es immer wieder Streit um die Durchführung, auch nach der Neufassung des Gesetzes 1999. Im Jahr 2003 verkündete die damalige Provinzregierung, die von der islamistischen Allianz Muttahida Majlis-e-Amal (MMA) geführt wurde, den Vorrang der Scharia vor allen anderen Gesetzen. Seit den Wahlen im Februar 2008 wird die NWFP jedoch von der sekulären Awami National-Partei (ANP) regiert.

Zardari hatte zunächst angekündigt, er werde seine für das Inkrafttreten des Abkommens zwingend erforderliche Unterschrift erst geben, wenn im Distrikt Swat, der Hochburg der Fundamentalisten innerhalb der NWFP, wirklich Frieden eingekehrt ist, das heißt, wenn die dortigen Taliban ihre Waffen abgeliefert haben. Sufi Mohammad hat sich in dem Vertrag mit der Provinzregierung zwar verpflichtet, sich dafür einzusetzen. Sein Einfluss auf die pakistanischen Taliban ist jedoch begrenzt, auch wenn einer der maßgeblichen Führer sein Schwiegersohn ist.

In der vorigen Woche war Zardari unter doppelten Druck geraten, seine Zustimmung nicht länger hinauszuzögern: Zum einen hatte Sufi Mohammad angekündigt, sich aus den Verhandlungen mit den Taliban ganz zurückzuziehen, und hatte das von ihm geleitete „Friedenslager“ in Swat abbrechen lassen. Zugleich hatte die Awami-Partei gedroht, die Regierungskoalition in Islamabad zu verlassen, falls der Präsident nicht endlich unterschreibt. Zardari hatte daraufhin die Entscheidung an das Parlament delegiert, um sich gegenüber der zu erwartenden Kritik von pakistanischen Liberalen, vor allem aber aus dem westlichen Ausland, Rückendeckung zu holen.

Die einstimmig gefasste Resolution des Parlaments repräsentiert einen breiten Konsens der pakistanischen Gesellschaft, politische Alternativen zu einem sich auf das gesamte Land ausbreitenden Bürgerkrieg, wie er von der US-Regierung aggressiv gefordert wird, zumindest auszutesten. Im Distrikt Swat hatten zuvor die pakistanischen Sicherheitskräfte anderthalb Jahre lang mit allen Mitteln, aber letztlich vergeblich versucht, die in der Bevölkerung massiv verankerte fundamentalistische Bewegung niederzuschlagen. Im Endergebnis war deren Einfluss dadurch nur gefestigt worden und hatte sich auf andere Teile der NWFP ausgebreitet.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 15. April 2009