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Offensive geht weiter
Pakistans Regierung droht den Taliban mit “Auslöschung”. USA drängen auf „aggressiveres“ Vorgehen.
Die pakistanischen Streitkräfte setzen weiterhin ihre Offensive gegen lokale Aufständische im Bezirk Dir fort, die sie am Sonnabend begonnen hatten. Innenminister Rehman Malik behauptete am Dienstag, dass bisher mindestens 70 Taliban-Kämpfer getötet worden seien. Nach offizieller Darstellung kamen auch 13 Angehörige der Sicherheitskräfte ums Leben.
Bei Luftangriffen mit Kampfhubschraubern, die sich zunächst auf das Gebiet um Maidan in Unter-Dir konzentrierten, wurden laut örtlichen Berichten auch zahlreiche Zivilisten getötet. 30.000 Menschen sind auf der Flucht, ohne dass von Behördenseite Vorsorgemaßnahmen für ihre Unterbringung veranlasst wurden. Viele Taliban sollen sich inzwischen aus dem angegriffenen Gebiet in vorbereitete Stellungen in Ober-Dir zurückgezogen haben, wo angeblich auch ihr Rückhalt in der Bevölkerung stärker ist.
Dir gehört zur Nordwest-Grenzprovinz (NWFP). Es grenzt im Westen an die sogenannten Stammesgebiete (FATA) und im Westen an Swat. Beide Bezirke sind Teil der Region Malakand, für die im Februar ein Waffenstillstand zwischen der Provinzregierung und den Taliban geschlossen wurde. Das Abkommen sieht die Legalisierung des islamischen Rechtswesens (Scharia) und im Gegenzug die freiwillige Entwaffnung der fundamentalistischen Rebellen vor. Beides wurde bisher nicht konsequent durchgeführt. Ein Sprecher des populären Klerikers Sufi Muhammad, der den Vertrag vermittelt hatte, teilte am Montag mit, dass die Verhandlungen über die Umsetzung des Abkommens wegen der Regierungsoffensive gegen Dir unterbrochen wurden. Beide Seite betonen aber, dass sie weiter an der Vereinbarung festhalten wollen.
Anfang April waren mehrere hundert Taliban aus dem von ihnen kontrollierten Bezirk Swat in das angrenzende Buner eingerückt und hatten dort die Kontrolle über die wichtigsten Orte und Straßenverbindungen übernommen. Am Freitag gaben sie auf Anweisung von Sufi Muhammad ihren Rückzug bekannt. Unterdessen sollen sie aber örtliche Sympathisanten bewaffnet und zurückgelassen haben.
Pakistanische Medien meldeten am Dienstagmorgen Gerüchte über eine bevorstehende massive Offensive gegen Buner, vielleicht sogar gegen Swat, das die Sicherheitskräfte nach monatelangen vergeblichen Angriffen den Rebellen überlassen mussten.
Am Dienstagnachmittag gab der Pressechef der Streitkräfte, Generalmajor Athar Abbas, den Beginn einer Großoffensive gegen Buner bekannt, an der auch Kampfflugzeuge der Luftwaffe beteiligt seien. Ziel sei die Vertreibung der Taliban-Kämpfer, deren Zahl er mit über 500 angab, aus dem Bezirk.
Regierungspolitiker hatten schon seit einigen Tagen eine auffallend scharfe Rhetorik gegen die Fundamentalisten angeschlagen. „Wir werden sie nicht länger tolerieren“, drohte Rehman Malik. „Niemand wird es erlaubt, die Autorität der Regierung herauszufordern.“ Die „Extremisten“ hätten keine andere Wahl, als die Waffen niederzulegen. Sonst würden sie „ausgelöscht“.
Gleichzeitig widersprach der Innenminister dem in allen Kreisen Pakistans verbreiteten Eindruck, die Regierung handle unter amerikanischem Druck. Stabschef Michael Mullen hatte bei einem Besuch in Islamabad vor wenigen Tagen Pakistan aufgefordert, „aggressiver“ gegen die Taliban vorzugehen. Zuvor hatte Außenministerin Hillary Clinton der pakistanischen Regierung vorgeworfen, sie habe vor den Rebellen kapituliert.
Pentagon-Sprecher Geoff Morell bekundete am Dienstag Genugtuung über das pakistanische Vorgehen. „Wir meinen, dass die Militäroperationen, die in den Bezirken Buner und Dir laufen, genau die richtige Antwort auf die Offensivoperationen der Taliban und anderer Militanter in den letzten Wochen sind.“ „Wir ermutigen diese Bemühungen und hoffen, sie können diese Operationen durchhalten.“
Auch der Sprecher des State Departments, Robert Wood, äußerte sich zustimmend: „Wir sind an ihrer Seite, wenn sie mit dem Kampf gegen diese Extremisten fortfahren. (...) Was Pakistan mit diesen Extremisten machen muss, ist, ihnen nicht nachzugeben, sondern kraftvolle Aktionen zu unternehmen. Wir werden sie dabei so gut wir können unterstützen.“
Knut Mellenthin
Junge Welt, 29. April 2009