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Mehr tun

Anschläge und Angriffe in den pakistanischen Stammesgebieten. US-Militär will grünes Licht für Operationen jenseits der Grenze.

Mindestens 43 Menschen kamen am Sonnabend bei einem Anschlag in der nordwestpakistanischen Stadt Khar ums Leben. Eine mit einer Burka bekleidete Frau hatte sich an einer Verteilstelle für Lebensmittel in die Luft gesprengt. Es gilt als erstes eindeutig bewiesenes Selbstmordattentat einer Frau in Pakistan. Khar ist der Hauptort von Bajaur, einer der sieben Verwaltungseinheiten, in die die sogenannten Stammesgebiete unterteilt sind.

Der Sprecher der pakistanischen Taliban, Azam Tariq, erklärte zu dem Anschlag: „Alle den Taliban feindlichen Kräfte, wie Laschkars, Armee und Sicherheitskräfte, sind unsere Ziele“. Laschkars sind zeitlich befristete Stammesmilizen, die für bestimmte Aufgaben gebildet werden. Die pakistanische Regierung bemüht sich seit zwei Jahren, meist unter Anwendung sowohl von Zwangsmaßnahmen als auch Bestechung, die Stämme zur Gründung von Laschkars gegen die Taliban zu veranlassen. Da diese Milizen jedoch erheblich schlechter bewaffnet und organisiert sind als die Streitkräfte, bilden sie ein bevorzugtes „weiches Ziel“ für Angriffe der Taliban. Der Anschlag vom Sonnabend ereignete sich im Gebiet der Salarzai, die 2008 als einer der ersten Stämme eine Laschkar gebildet hatten.

Am Freitag hatten örtliche Taliban in Mohmand, einem anderen Stammesgebiet, ihre seit Monaten größte koordinierte Operation unternommen. Rund 150 Bewaffnete griffen fünf Stützpunkte des Frontier Corps nahe der Grenze zu Afghanistan an. Das Corps ist eine Hilfstruppe, die bis auf ihre Offiziere nur aus einheimischen Paschtunen besteht. Bei den Kämpfen kamen nach offiziellen Angaben 11 Angehörige des Corps und 24 Angreifer ums Leben. Die Taliban behaupten dagegen, sie hätten 12 Soldaten getötet, zwei gefangen genommen, einen Stützpunkt erobert und selbst nur zwei Mann verloren. Sowohl in Bajaur als auch in Mohmand hatte die Armee seit 2008 mehrere Offensiven durchgeführt. Danach behauptete sie, die Gebiete fest unter Kontrolle zu haben.

Indessen hält die US-Regierung an ihrer ständig wiederholten Forderung fest, Pakistan müsse im Kampf gegen die Rebellen „mehr tun“. Die New York Times berichtete am 20. Dezember, dass hochrangige amerikanische Militärs darauf drängen, von Washington grünes Licht für Operationen ihrer Sondereinheiten auf pakistanischem Gebiet zu bekommen. Als eine Aufgabe solcher Einsätze wurde genannt, Kommandeure der Aufständischen gefangen zu nehmen und sie zum „Verhör“ über die Grenze zu verschleppen. Schon jetzt führt nach Informationen der New York Times eine aus afghanischen Paschtunen gebildete Truppe im Auftrag des US-Militärs Operationen auf pakistanischem Gebiet durch. Bisher seien diese offiziell als reine Informationssammlung bezeichnet worden, doch gebe es in letzter Zeit auch Berichte über Kampfeinsätze. Ein NATO-Sprecher erklärte zum Bericht der New York Times, daran sei kein wahres Wort.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 27. Dezember 2010