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Kompromiss zwischen Regierung und Armee

Die pakistanische Führung sucht eine gemeinsame Linie im Streit mit den USA

Im Streit um das Verhältnis zu den USA haben sich die Spitzen von Pakistans Regierung und Armee am Wochenende geeinigt. Eine Konferenz führender Militärs hatte in der vergangenen Woche mit einer Protesterklärung gegen die vom US-Kongress verabschiedete Kerry-Lugar-Bill geendet. Auch im pakistanischen Parlament, das seit Mitte voriger Woche tagt, zeichnet sich eine Mehrheit gegen die, wie es heißt, „Verletzung der Souveränität“ des Landes ab. Der Regierung in Islamabad wird vorgeworfen, sich auf ein „Kapitulationsabkommen“ eingelassen zu haben.

Das von den Senatoren John Kerry und Richard Lugar initiierte Gesetz sieht vor, dass Pakistan künftig weder Militärhilfe noch Waffenlieferungen erhalten soll, sofern das US-Außenministerium nicht alle sechs Monate bestätigt, dass eine Reihe von Bedingungen erfüllt sind. Dazu gehört die Bereitschaft von Militär und Regierung, nicht nur die Taliban in den sogenannten Stammesgebieten verstärkt zu bekämpfen, sondern ihre „Antiterrormaßnahmen“ auf des gesamte Land auszudehnen. Namentlich genannt werden im US-Gesetz die Städte Quetta und Muridke. Quetta ist die Hauptstadt der Provinz Belutschistan. Regierung und Militärs der USA behaupten, dass dort die Führung der afghanischen Taliban ihre Zentrale habe, was jedoch von allen pakistanischen Stellen entschieden bestritten wird. In den USA wird seit einiger Zeit darüber diskutiert, die Drohnen-Angriffe, die sich bisher nur gegen die Stammesgebiete richteten, auch auf Quetta und Umgebung auszudehnen. Muridke liegt in der Nähe von Lahore, der Hauptstadt der Provinz Pundschab. Der Ort gilt als Hauptquartier der Laschkar-e-Toiba, einer militanten Organisationen, die nach Ansicht der Regierungen der USA und Indiens von Pakistan nicht entschieden genug bekämpft wird.

Am Wochenende tagten nun Präsident Asif Ali Zardari, Premierminister Jusuf Rasa Gilani, Armeechef Aschfaq Parvez Kajani, Außenminister Schah Mehmud Qureschi und Geheimdienstchef Schuja Pascha, um sich auf eine gemeinsame Taktik zu einigen. Beschlossen wurde, die pakistanischen Bedenken an Barack Obama heranzutragen. Der Präsident muss sich bis Dienstag entscheiden, ob er gegen das Gesetz sein Vetorecht gebrauchen oder es unterzeichnen will. Anderenfalls würde es automatisch in Kraft treten. Die pakistanische Führungsspitze will Obama dazu bewegen, bei der Unterzeichnung eine Erklärung abzugeben, dass keine Beeinträchtigung der pakistanischen Souveränität beabsichtigt sei. Außerdem wollen Regierung und Militär sich gemeinsam gegenüber dem Parlament dafür einsetzen, dass die Volksvertretung das US-Gesetz akzeptiert und sich darauf beschränkt, in einer möglichst geschlossenen Resolution ihre Bedenken zu formulieren. Davon hängt auch der Bestand der Regierung ab, da einige kleinere Koalitionsparteien bisher die Kerry-Lugar-Bill ablehnen.

Der Streit geht allerdings sehr viel tiefer. In Pakistan beobachtet man mit großem Misstrauen die Bestrebungen der USA, ihre Präsenz im Land massiv auszubauen. Das Weiße Haus hat beim Kongress 736 Millionen Dollar beantragt, um auf einem riesigen Areal in der Hauptstadt Islamabad eine neue Botschaft zu bauen. Das Projekt kommt im Umfang der im letzten Jahr fertiggestellten US-Vertretung in Bagdad gleich, für die 740 Millionen Dollar ausgegeben wurden. Unter dem Vorwand, das aufgeblähte Personal der geplanten neuen Botschaft schützen zu müssen, werden private Sicherheitsfirmen eingesetzt, die ihrerseits mit zwielichtigen pakistanischen Subunternehmen kooperieren. In den letzten Monaten gab es mindestens zwei Polizeiaktionen gegen solche Firmen, um illegal beschaffte Waffen sicherzustellen. Die US-Regierung will außerdem ihre Konsulate in Lahore und in Peschawar, der Hauptstadt der Nordwestprovinz, stark vergrößern. Da in Peschawar kaum konsularische Tätigkeiten anfallen, sieht man in Pakistan in diesem Plan die Absicht, einen CIA-Stützpunkt mitten in den Stammesgebieten zu errichten.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 12. Oktober 2009