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Keine Entschuldigung

US-Regierung rechtfertigt Luftangriffe auf pakistanische Soldaten. Putschgerüchte in Islamabad.

Seit nunmehr einem Monat lässt Pakistan den Nachschub für den NATO-Krieg in Afghanistan nicht passieren. Diese Blockade ist die längste seit Kriegsbeginn im Oktober 2001. Sie wurde von der Regierung in Islamabad verhängt, nachdem US-amerikanische Kampfflugzeuge und Hubschrauber in der Nacht vom 25. auf den 28. November zwei pakistanische Grenzposten angegriffen und 24 Soldaten getötet hatten. Pakistan wartet seither vergeblich, auf eine Entschuldigung der US-Regierung.

Davon ist Washington jedoch offenbar immer noch weit entfernt. Das Pentagon verbreitete am Donnerstag eine kurze Erklärung, in der die mörderische Attacke als „Selbstverteidigung“ gerechtfertigt wurde, die mit „angemessenem Mitteleinsatz“ durchgeführt worden sei, nachdem die pakistanische Seite das Feuer eröffnet habe. „Unzureichende Koordination“ zwischen US-amerikanischen und pakistanischen Militärs habe zu „Missverständnissen“ geführt. Dazu hätten außerdem „falsche Karteninformationen“ beigetragen, die von den Pakistanis geliefert worden seien.

Islamabads Militärsprecher, Generalmajor Athar Abbas, wies die Darstellung des Pentagon zurück. Pakistanische Truppen hätten erst zurückgeschossen, nachdem sie von Hubschraubern angegriffen worden seien. Er bestritt auch, dass die NATO nicht über die exakten Positionen der pakistanischen Grenzposten informiert gewesen sei. Die NATO und ihre afghanischen Verbündeten hätten die vereinbarten Standardregeln verletzt, indem sie die Pakistanis nicht über ihre geplanten Operationen in unmittelbarer Nähe zur Grenze informiert hätten.

Gleichzeitig bekräftigte Abbas die Forderung, dass die NATO künftig für die Nachschubtransporte Gebühren entrichten müsse, falls diese wieder aufgenommen würden. „Sie können nicht unsere Häfen benutzen, unsere Straßen zerstören und davonkommen, ohne dafür zu bezahlen.“

Neben dem Streit zwischen Islamabad und Washington haben sich in Pakistan auch die Widersprüche zwischen der Regierung und der Militärführung zugespitzt. Ministerpräsident Yousuf Raza Gilani warf am Donnerstag nicht näher bezeichneten Kräften vor, „Verschwörungen auszuhecken“, „um die politische Führung zu stürzen“. Niemandem dürfe erlaubt werden, sich über das Gesetz zu stellen und „einen Staat im Staate zu bilden“.

Vor diesem Hintergrund fand eine Massenkundgebung der Gerechtigkeitsbewegung, Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), große Beachtung, die am Sonntag in der Hafenstadt Karachi stattfand. Zwischen 100.000 und 150.000 Menschen waren gekommen, um die Ansprache von Parteichef Imran Khan, einem populären ehemaligen Kricketspieler, zu hören. Politische Veranstaltungen mit wesentlich mehr als einigen tausend Teilnehmern sind in Pakistan äußerst selten. Khan hatte seine Partei schon vor rund 15 Jahren gegründet, ohne damit Erfolg zu haben. Erst seit einigen Monaten erhält er wachsenden Zulauf. Einige bekannte Politiker der beiden großen Parteien des Landes, darunter der frühere Außenminister Shah Mahmood Qureshi, sind in letzter Zeit zur PTI übergetreten. Kernpunkte ihrer Propaganda sind der Kampf gegen die Korruption, die wirtschaftliche Nöte der Bevölkerung, der Ausstieg aus dem US-geführten „Krieg gegen den Terror“ und die Beendigung des Bürgerkriegs in Pakistan mit nicht-militärischen Mitteln.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 27. Dezember 2011