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Namenlose Informanten

Die New York Times dreht an der Gerüchtekampagne gegen Pakistan. Rolle der US-Regierung verschwiegen.

Der pakistanische Geheimdienst ISI hat im Januar 23 „Führer“ der afghanischen Taliban festgenommen, um die in Gang gekommenen Friedensverhandlungen mit der Regierung in Kabul zu torpedieren. Das behauptete jedenfalls die New York Times am Montag in einem außergewöhnlich langen Artikel. Der Vorwurf ist indessen alles andere als neu, und die Zeitung nennt nicht einen einzigen ihrer angeblichen Informanten beim Namen. Da der Autor Dexter Filkins zudem die unzweifelhafte Rolle der US-Regierung bei diesen Vorgängen mit keinem Wort erwähnt, deuten alle Umstände auf eine gezielte politische Desinformation hin: Es geht wieder einmal um die bekannten Vorwürfe gegen Pakistan, den Taliban wissentlich Schutz und Unterschlupf zu gewähren – und die „Friedensbemühungen“ von Präsident Hamid Karsai zu stören, um mit Hilfe der Taliban ihren Einfluss in Afghanistan zu behalten. Dazu passt die angeblich von anonymen pakistanischen Funktionsträgern stammende Behauptung der New York Times, die meisten damals verhafteten „Taliban-Führer“ seien inzwischen wieder freigelassen und zur Fortsetzung des Kampfes nach Afghanistan geschickt worden.

Unstrittig ist, dass im Januar die angebliche Nummer 2 der Taliban, Abdul Ghani Baradar, in der pakistanischen Hafenstadt Karatschi festgenommen wurde und dass dabei der ISI mit der CIA Hand in Hand gearbeitet hatte. Fakt ist auch, dass in kurzer Zeit weitere Verhaftungen afghanischer Taliban in Pakistan folgten. Aber erst am 20. März behauptete ein Sprecher Karsais, dass die

Verhaftungen „negative Auswirkungen“ auf den „von der afghanischen Regierung initiierten Friedensprozess“ gehabt hätten.

Deutlicher war einen Tag zuvor der Norweger Kai Eide geworden, der gerade seinen Posten als UN-Beauftragter für Afghanistan aufgegeben hatte. In einem Interview mit dem britischen Sender BBC behauptete er, seit Frühjahr 2009 Gespräche mit bedeutenden Taliban-Vertretern geführt zu haben. In diesem Zusammenhang warf er Pakistan vor, durch die Verhaftungen von Baradar und anderen diese Kontakte gezielt gestört zu haben. Für die Taliban bestritt daraufhin deren Sprecher Qari Muhammad Jusaf Ahmadi kategorisch, dass es Gespräche mit Eide gegeben haben.

An diesem Punkt griff der Sondergesandte des US-Präsidenten für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, ein: Die USA seien Pakistan für die Verhaftung von Baradar und anderen Taliban „extrem dankbar“. Es folgte Außenministerin Hillary Clinton, die am 25. März vor einem Senatsausschuss erklärte, dass die US-Regierung über die „Versöhnungspläne“ von Karsai „besonders besorgt“ sei. Bei der selben Anhörung lehnte Kriegsminister Robert Gates alle Verhandlungen mit den Taliban als „verfrüht“ ab. Zunächst müssten sie militärisch geschlagen werden.

Fazit: Falls die Verhaftung Baradars wirklich ein Störmanöver gegen Karsais „Friedenspläne“ war, was durch nichts bewiesen ist, dann ganz sicher nicht als pakistanischer Alleingang, wie es die New York Times jetzt darstellt.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 24. August 2010