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Immunität für CIA-Agenten

Im Streit um den inhaftierten Todesschützen Davis erhöhen die USA den Druck auf Pakistan

US-Dienststellen haben am Montag zugegeben, dass der Amerikaner Raymond Davis, der seit dem 27. Januar in Pakistan in Untersuchungshaft sitzt, für den Auslandsgeheimdienst CIA gearbeitet hat. Die New York Times und die Washington Post räumten gleichzeitig ein, dass ihnen der Sachverhalt schon länger bekannt war. Lediglich auf Wunsch ihrer Regierung hätten sie bisher geschwiegen. Diese Nachrichtensperre wurde aufgehoben, nachdem die britische Tageszeitung Guardian am Sonntag erstmals definitiv berichtet hatte, dass Davis ein vom CIA beschäftigter Angestellter eines privaten Sicherheitsunternehmens gewesen sei. Vermutet worden war das zwar schon seit seiner Festnahme, aber die US-Regierung bezeichnete ihn als Angehörigen des „technischen und Verwaltungspersonals“ der Botschaft in Islamabad.

Zu Beginn war noch behauptet worden, Davis habe für das amerikanische Konsulat in Lahore gearbeitet. In dieser zweitgrößten Stadt des Landes war der CIA-Mann festgenommen worden, nachdem er zwei Männer erschossen hatte, die ihn angeblich verfolgt hatten. Insgesamt gab Davis zehn Schüsse ab, die alle trafen, darunter einige in den Rücken. Die pakistanische Polizei akzeptiert deshalb nicht die Notwehr-Version des Amerikaners, sondern will Mordanklage erheben lassen.

Das Verwirrspiel der US-Regierung um den Arbeitgeber des Todesschützen – Botschaft oder Konsulat – dürfte einen einfachen juristischen Grund haben: Das Botschaftspersonal ist durch die Wiener Konvention von 1961 rundum vor Strafverfolgung geschützt. Konsulatsangehörige hingegen, nach einer internationalen Vereinbarung von 1963, nur dann, wenn sie die mögliche Straftat im Rahmen ihres Dienstes begangen haben.

Ob die diplomatische Immunität in diesem Fall überhaupt gilt, ist zwischen Washington und Islamabad umstritten. Die US-Regierung stellt sich auf den fragwürdigen Standpunkt, dass es absolut nicht darauf ankommt, welche Tätigkeit Davis tatsächlich ausgeübt hat, ins wessen Auftrag und an welchem Ort. Allein der Besitz eines Diplomatenausweises sei entscheidend. Die pakistanische Regierung zieht sich darauf zurück, dass darüber nur das zuständige Gericht in Lahore entscheiden könne. Dieses hat den nächsten Haftprüfungstermin auf den 14. März angesetzt.

Mit dem Eingeständnis, dass Davis für die CIA gearbeitet hat, soll möglicherweise noch Schlimmeres verdeckt werden. Denn nach der jetzt verbreiteten Version hat der ehemalige Angehörige militärischer Spezialeinheiten lediglich Personenschutz für CIA-Agenten geleistet, die in Pakistan gegen Angehörige militanter Organisationen ermitteln. Viele Indizien, unter anderem die bei Davis' Festnahme gefundenen Gegenstände, deuten jedoch darauf hin, dass er selbst als Spion, vielleicht außerdem auch als Informantenbetreuer gearbeitet hat. In seiner Digitalkamera wurden Aufnahmen von militärischen Anlagen und Grenzbestigungen gefunden.

Indessen haben die USA ihre Drohnenflüge gegen Ziele in Nordwestpakistan wieder aufgenommen, die sie nach der Festnahme von Davis fast einen Monat lang unterbrochen hatten. Bei zwei Attacken am Sonntag und Montag wurden insgesamt mindestens 15 Menschen getötet. Die Rückkehr zu den in Pakistan extrem unpopulären Angriffen ist ein deutliches Signal der US-Regierung, dass sie auf die innenpolitischen Probleme ihrer „strategischen Verbündeten“ in Islamabad keine Rücksicht mehr nehmen will. In Pakistan wird bereits geargwöhnt, dass die Amerikaner versuchen könnten, Davis mit Gewalt zu befreien.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 23. Februar 2011