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Haftbefehl gegen Ex-Diktator

Pakistanischer Innenminister behauptet, die Ermordung von Benazir Bhutto sei vollständig aufgeklärt

Pakistan wird Interpol offiziell bitten, bei der Vollstreckung eines Haftbefehls gegen Ex-Diktator Pervez Musharraf behilflich zu sein. Das ist das Ergebnis einer Gerichtssitzung zum Mordfall Benazir Bhutto, die am Sonnabend in Rawalpindi stattfand. Dort war die populäre Politikerin, die zwei Mal Premierministerin war, am 27. Dezember 2007 durch ein Attentat getötet worden.

Seit seinem Sturz im August 2008 hält sich Musharraf im Ausland, hauptsächlich in London, auf. Die pakistanischen Behörden werfen ihm vor, durch Vernachlässigung der Sicherheitsmaßnahmen für Bhutto ihre Ermordung erleichtert zu haben. Gegen die Führerin der Volkspartei war schon am Tag ihrer Rückkehr aus dem Exil, am 19. Oktober 2007, ein Sprengstoffanschlag verübt worden, durch den 139 Menschen getötet wurden. Sie selbst war unverletzt geblieben. Polizei und Justiz beschuldigen Musharraf außerdem, maßgeblich an der Behinderung der Ermittlungen zum Bhutto-Mord beteiligt gewesen zu sein. Unter anderem war der Tatort sofort mit Wassermaschinen gereinigt worden, bevor eine ordnungsgemäße Spurensicherung stattfinden konnte. Die Leiche der Politikerin wurde nicht obduziert. Alle diese Punkte hatte eine Untersuchungskommission der UNO beanstandet, die ihren Abschlussbericht nach neunmonatiger Arbeit im April 2010 vorlegte.

Ob dem Ex-Diktator darüber hinaus auch Teilnahme an der Verschwörung zur Ermordung Bhuttos vorgeworfen soll, wie es gerüchteweise in pakistanischen Medien heißt, ist immer noch unklar. Der vom Gericht in Rawalpindi am 12. Februar erlassene Haftbefehl zielte zunächst nur darauf ab, Musharraf zu zwingen, nach Pakistan zurückzukehren und sich den Ermittlern im Mordfall zur Verfügung zu stellen. Mehrere vorangegangene Vorladungen hatte er ignoriert. Am 9. März übermittelte die pakistanische Regierung den Haftbefehl offiziell an die britischen Behörden, die aber darauf bis heute nicht reagiert haben. Mit der Einschaltung von Interpol will Pakistan nun seinem Auslieferungsbegehren Nachdruck verleihen. Musharraf scheint sich trotzdem noch keine Sorgen zu machen. Nach Angaben seines Sprechers hält er sich derzeit in Dubai auf und will von dort wie geplant in die USA weiterreisen.

Indessen wartete der pakistanische Innenminister Rehman Malik am Freitag mit einer Sensation auf, deren Wahrheitsgehalt allerdings ungewiss ist. In einer Rede vor Aktivisten der regierenden Volkspartei, der Malik selbst angehört, teilte er mit, dass es gelungen sei, sämtliche Hintergründe der Ermordung von Benazir Bhutto restlos aufzuklären. Man kenne die Drahtzieher ebenso wie die Ausführenden des Anschlags. Die meisten Verdächtigen seien schon verhaftet worden. Er werde demnächst das Spitzengremium der Volkspartei über den Ermittlungsstand informieren, und dieses werde dann entscheiden, wie weit die Erkenntnisse veröffentlicht werden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 28. März 2011