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Grünes Licht für NATO-Nachschub

Proteste in Pakistan gegen Wiederaufnahme des Transits für den Afghanistankrieg bisher nur gering. Konflikt zwischen Regierung und Oberstem Gerichtshof verschärft.

Die USA und Pakistan stehen kurz vorm Abschluss eines „Memorandum of Understanding“ über die Wiederaufnahme der Nachschubtransporte für den NATO-Krieg in Afghanistan. Das Dokument, über dessen Inhalt bisher nichts bekannt ist, könnte Pressespekulationen zufolge schon am heutigen Montag unterzeichnet werden. Pakistan hatte die Transitwege gesperrt, nachdem am 26. November vorigen Jahres bei US-amerikanischen Luftangriffen gegen zwei pakistanische Grenzposten 24 Soldaten getötet worden waren.

Die Regierung in Islamabad gab ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme der Transporte schon am 3. Juli bekannt. Allerdings wurde das bis jetzt kaum in die Tat umgesetzt. Pakistanische Medien berichteten am Sonntag, dass nach wie vor mehr als 7.000 Lastkraftwagen mit Nachschubgütern auf die Genehmigung zum Passieren der beiden Grenzübergänge warten. Es wird damit gerechnet, dass in den kommenden Tagen zunächst 1.600 Fahrzeuge, deren Formalitäten bereits erledigt sind, freigegeben werden.

Die pakistanische Regierung hat inzwischen bestätigt, dass sie auf ihre frühere Forderung nach einer angemessenen finanziellen Vergütung für die Nutzung der Transitwege vollständig verzichtet hat. Auch anfangs diskutierte Bedingungen wie insbesondere die Einstellung der Drohnenangriffe gegen Ziele in Nordwestpakistan wurden fallen gelassen. Zur Zeit ist nicht einmal klar, ob das „Memorandum of Understanding“ eine Verpflichtung der USA zu Reparaturarbeiten an den Autobahnen enthält, die durch die Nachschubtransporte in einem schlechten Zustand sind. Bezeichnend ist auch, dass das Abkommen an der Öffentlichkeit und am Parlament vorbei ausgehandelt wurde, obwohl Islamabad versprochen hatte, mit dieser jahrzehntelang üblichen Praxis endlich Schluss zu machen.

Die angekündigten Proteste der Opposition gegen die Wiederaufnahme der Kriegstransporte halten sich bisher in engen Grenzen. Am aktivsten ist der DPC, ein Bündnis islamistischer Parteien und Organisationen. Am Wochenende mobilisierte er rund 5.000 Anhänger für einen erklärtermaßen gewaltlosen Konvoi von Quetta, der Hauptstadt der Provinz Balutschistan, zum Grenzübergang Chaman. Die größte Oppositionspartei des Landes, die PML-N, beschränkt sich auf verbale Angriffe gegen die Regierung. Der populäre frühere Kricket-Star Imran Khan, dessen Partei PTI zur Zeit über die stärkste Mobilisierungskraft in Pakistan verfügt, hat einen „Friedenskonvoi“ nach Wasiristan, dem Hauptziel der amerikanischen Drohnenangriffe, angekündigt. Stattfinden soll dieser allerdings erst Ende September.

Indessen dauert der Konflikt zwischen der Regierung und dem Obersten Gerichtshof (SC) an. Dieser hatte am 19. Juni Premierminister Yousuf Raza Gilani wegen Missachtung des Gerichts für amtsunfähig erklärt. Gilani hatte sich geweigert, einer Aufforderung des SC nachzukommen und die Schweizer Behörden um Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Präsident Asi Ali Zardari zu ersuchen. Der Witwer der 2007 bei einem Anschlag ermordeten früheren Premierministerin Benazir Bhutto wird verdächtigt, gemeinsam mit dieser in den 1990er Jahren rund 12 Millionen Dollar Bestechungsgelder über Schweizer Konten „gewaschen“ zu haben.

Der Oberste Gerichtshof verlangt den „Schweizer Brief“ nun auch von Gilanis Nachfolger Raja Pervez Ashraf. Falls der Regierungschef dieser Forderung nicht bis zum 25. Juli nachkommt, droht auch ihm ein Verfahren wegen Missachtung des Gerichts.

Als Gegenmaßnahme haben die regierende Volkspartei (PPP) und ihre Koalitionspartner im Eilverfahren ein Gesetz verabschiedet, das nicht nur alle Regierungsmitglieder, sondern auch andere Amtsträger mit einer vollständigen Immunität für ihre dienstlichen Tätigkeiten ausstattet. Präsident Zardari setzte es am Donnerstag durch seine Unterschrift in Kraft. Der SC sowie eine Reihe anderer Institutionen und Personen bestreiten jedoch die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Darüber will der SC erstmals am 23. Juli verhandeln.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 16. Juli 2012