Funktionen für die Darstellung

Darstellung:
  • Standard.
  • Aktuelle Einstellung: Druckansicht.

Seitenpfad

Geheime Zusammenarbeit Washington-Islamabad?

Helfen Pakistans Regierung und Militär den USA bei den Raketenangriffen unbemannter Kampfflugzeuge (Drohnen) auf pakistanisches Gebiet? Über 30 solcher Attacken hat es seit September 2008 gegeben, vier davon seit dem Einzug von Barack Obama ins Weiße Haus am 20. Januar. Über 250 Menschen kamen dabei ums Leben, darunter zahlreiche Frauen, Kinder und andere eindeutige Nicht-Kombattanten. Pakistanische Politiker haben diese Angriffe immer wieder verurteilt, weil das Vorgehen der USA die Souveränität ihres Landes missachtet und zudem politisch kontraproduktiv sei. Aber gibt es in Wirklichkeit geheime Absprachen oder sogar eine direkte Zusammenarbeit?

Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein brachte am 12. Februar den Stein ins Rollen mit einer Bemerkung, die von Insidern als „dumm“ bezeichnet wird und von der man nicht weiß, ob sie unbedacht oder politisch gezielt war. In einer Anhörung des Geheimdienstausschusses, dessen Vorsitzende sie ist, äußerte Feinstein ihre „Überraschung“ über die pakistanischen Proteste und fügte hinzu: „Soweit ich weiß, starten sie – die Drohnen – von einem Stützpunkt in Pakistan.“

Dementis beider Seiten folgten sofort. Die Senatorin versuchte, sich herauszureden: Ihre Aussage habe sich nicht auf Insider-Wissen, sondern lediglich auf einen im März 2008 erschienenen Artikel der Washington Post bezogen. Tatsächlich hatte das Blatt am 27. März 2008 unter Berufung auf anonyme Quellen behauptet, die für die Angriffe verwendeten Drohnen vom Typ Predator seien auf Stützpunkten in der Nähe der Hauptstadt Islamabad und in Jacobabad stationiert.

Der Senatorin Feinstein folgte die Londoner Times am 18. Februar, mit einem großen Enthüllungsartikel, der allerdings ebenfalls fast ausschließlich auf anonymen Insider-Behauptungen beruhte. Danach benutzt die CIA, die für die Drohnen-Angriff zuständig ist, hauptsächlich den kleinen Flugplatz von Shamsi im pakistanischen Balutschistan, daneben aber auch den Luftwaffenstützpunkt Jacobabad. Wichtiges, aber nicht wirklich stichhaltiges Beweisstück der Times ist eine vom Pentagon bezahlte Rechnung für die Lieferung von Flugzeugbenzin aus einer Raffinerie bei Karatschi nach Shamsi. Der Verwendungszweck ist unklar.

Am 19. Februar legte die Times mit Internet-Luftaufnahmen (Google Earth) vom Flugplatz Shamsi nach. Die erste Aufnahme von 2006 zeigt drei große kreuzförmige Gegenstände auf dem Rollfeld, bei denen es sich tatsächlich um Drohnen zu handeln scheint. Auf dem zweiten, aktuellen Bild sind keine Flugkörper zu sehen, dafür aber mehrere in der Zwischenzeit errichtete Gebäude, von denen eines – mutmaßt die Times –ein Hangar für Predators sein könnte.

Beweiskräftig? Dass Pakistan den USA zu Beginn ihres Überfalls auf Afghanistan (Herbst 2001) Nutzungsrechte auf einer Reihe von Stützpunkten überließ, darunter neben Shamsi auch Jacobabad, ist schon lange bekannt. Die New York Times berichtete am 6. November 2002, dass die über Afghanistan eingesetzten Predators von Jacobabad aus operierten. Die RAND Corporation nannte 2004 Shamsi und Jacobabad als Ausgangspunkte für Drohnenflüge über Afghanistan. Aber 2006 teilte Pakistan mit, dass diese Nutzung beendet worden sei.

Und was stimmt denn nun? Da Google Earth keine Live-Aufnahmen in Echtzeit präsentiert, lassen die 2006 ins Netz gestellten Bilder keine sichere Schlussfolgerung zu – schon gar nicht über die heutige Situation. Möglich ist auch, dass die US-Administration Desinformationen gezielt „durchsickern“ lässt, um die pakistanische Regierung unter Druck zu setzen und ihre Proteste gegen die Angriffe unglaubwürdig zu machen. Viele Pakistanis argwöhnen ohnehin, dass ihre Regierung, ebenso wie zuvor Militärdiktator Pervez Muscharraf, mit den USA im geheimen Einverständnis ist.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 23. Februar 2009