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Eiszeit zwischen Verbündeten

Die US-Regierung hat alle hochrangigen Kontakte mit Pakistan unterbrochen, um die sofortige Freilassung eines inhaftierten Amerikaners zu erzwingen. Das meldeten am Montag Medien beider Länder unter Berufung auf anonyme Insiderquellen. Pakistans Außenminister Shah Mehmood Qureshi hatte zuvor seine Teilnahme an der Internationalen Sicherheitskonferenz in München abgesagt, nachdem seine amerikanische Kollegin Hillary Clinton ihm mitgeteilt hatte, dass sie nicht zu einem Treffen bereit sei. Ernsthafter ins Gewicht fällt, dass von dem Einfrieren der Beziehungen auch die militärische und zivile Finanzhilfe betroffen ist, deren Freigabe sich nun verzögert.

Auslöser des Streits zwischen den beiden Staaten, die sich als „strategische Verbündete“ bezeichnen, ist der Fall des 36jährigen Raymond Davis. Er hatte am 27. Januar in Lahore zwei Männer erschossen, die seinem Auto auf einem Motorrad gefolgt waren. Ein zweites offenbar von US-Amerikanern gelenktes Fahrzeug, das Davis zur Hilfe kommen wollte, überfuhr beim rücksichtslosen Heranrasen einen unbeteiligten Fußgänger und verletzte ihn tötlich. Die Insassen flüchteten und wurden bisher nicht ermittelt. Davis behauptet, er sei von den Männern auf dem Motorrad mit einer Schusswaffe bedroht worden und habe sie für Straßenräuber gehalten.

Erste Berichte örtlicher Polizisten schienen die Notwehr-Version zu stützen. Inzwischen mehreren sich aber die Hinweise, dass die von Davis getöteten Verfolger in Wirklichkeit pakistanische Sicherheitsbeamte waren, die mit seiner Observierung beauftragt waren. Solche Überwachungen sind üblich, weil die pakistanischen Behörden mit Grund davon ausgehen, dass viele angebliche US-Diplomaten hauptsächlich mit Spionageaufträgen beschäftigt sind. Sie fahren Autos mit gefälschten Kennzeichen – wie im vorliegenden Fall die Verursacher des Unfalls mit dem zweiten Fahrzeug – und tauchen mit Videokameras an sensiblen Anlagen auf.

Hauptstreitpunkt ist, ob Davis ein Recht auf diplomatische Immunität hat. Nach amerikanischen Angaben gehörte er zum „technischen und Verwaltungspersonal“ des Konsulats in Lahore. Unstrittig ist indessen, dass er kein Diplomat im eigentlichen Sinn des Wortes ist. US-Medien berichteten, dass er für ein in Florida ansässiges privates Sicherheitsunternehmen namens Hyperion Protective Services arbeitet oder sogar dessen Mitinhaber ist. Aus den bei Davis gefundenen Papieren geht hervor, dass er gleichzeitig auch für die Botschaft in Islamabad und für das Konsulat in Peschawar arbeitete. Letzteres liegt mitten in den umkämpften Stammesgebieten und ist hauptsächlich ein CIA-Stützpunkt.

Trotzdem wäre Davis vermutlich schon wieder frei, wenn die US-Regierung und ihr Botschafter in Islamabad, Cameron Munter, weniger öffentlichen Druck machen und sich in ihrer Sprache mäßigen würden. So aber steht die pakistanische Regierung unter dem Zwang, Unabhängigkeit zu demonstrieren, denn die Mehrheit der Pakistanis wirft ihr ohnehin viel zu große Nachgiebigkeit gegenüber den USA vor. Als emotionalisierender Faktor kommt hinzu, dass die Witwe eines der von Davis Getöteten inzwischen Selbstmord begangen hat. Als Begründung gab sie ihre Erwartung an, dass der Mörder ihres Mannes ungestraft freikommen werde.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 9. Februar 2011