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Bush will illegale Angriffe gegen Pakistan ausweiten

US-Präsident George W. Bush hat im Juli einen Geheimbefehl unterzeichnet, der Bodenoperationen auf pakistanischem Gebiet ohne Zustimmung der dortigen Regierung erlaubt. Das berichtete am Donnerstag die New York Times. Bisher hatten die US-Streitkräfte und der Geheimdienst CIA lediglich Luftangriffe, meist mit unbemannten Flugzeugen (Drohnen), gegen pakistanische Ziele unternommen.

Am 3. September hatte erstmals ein mit Hubschraubern eingeflogenes US-amerikanisches Spezialkommando ein Dorf in Südwasiristan, im Grenzgebiet zu Afghanistan, überfallen und 20 Bewohner getötet, überwiegend Frauen und Kinder. Beide Häuser des pakistanischen Parlaments verurteilten den Überfall in einstimmig angenommenen Resolutionen als „grobe Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Pakistans“. Die Regierung wurde aufgefordert, „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Souveränität und territoriale Integrität des Landes zu schützen und um solche Angriffe in Zukunft mit voller Kraft zurückzuschlagen“.

Seit der Ablösung des von Washington begünstigten Militärdiktators Pervez Muscharraf durch eine demokratisch gewählte Regierung im Februar dieses Jahres haben die USA ihre illegalen Luftangriffe gegen Pakistan auffallend gesteigert. Während es 2007 drei solcher Aktionen gab, waren es im laufenden Jahr bereits elf, die meisten davon in jüngster Zeit. Drei Luftschläge wurden in der vorigen Woche ausgeführt, zwei in der laufenden: am Montag und am Mittwoch. Fast jedes Mal sind Frauen und Kinder unter den Opfern, während die angeblichen Ziele, hochrangige Mitglieder der Phantom-Organisation Al Qaida, sich gar nicht in den angegriffenen Häusern befanden. US-Stellen geben offen zu, dass ihre Erkenntnisse äußerst gering sind, weil im paschtunischen Nordwesten Pakistans niemand mit ihnen zusammenarbeitet und ihnen Informationen liefert.

Dem Bericht der New York Times zufolge sind der Entscheidung von Bush, Bodenoperationen gegen Pakistan freizugeben, monatelange Auseinandersetzungen in der US-Administration vorausgegangen. Die CIA habe sich mit ihrer These durchgesetzt, dass nicht nur der pakistanische Geheimdienst ISI, sondern auch „die höchste Ebene des pakistanischen Sicherheitsapparats, einschließlich Armeechef General Parvez Kajani“, mit Al Qaida zusammenarbeite. Kajani, der Muscharraf im November 2007 ablöste und bei der US-Armee ausgebildet wurde, galt bisher als Vertrauensmann der Amerikaner.

In einer ungewöhnlich scharfen Erklärung widersprach Kajani am Mittwoch den Gerüchten, es gebe eine geheime Zustimmung der pakistanischen Regierung zu den US-amerikanischen Angriffen oder auch nur einigen von ihnen. „Die Souveränität und territoriale Integrität des Landes wird um jeden Preis verteidigt werden. Keine ausländische Macht darf Operationen innerhalb Pakistans durchführen.“

Premierminister Raza Gilani stellte sich am Donnerstag ausdrücklich hinter den Armeechef. Dessen Äußerungen gäben genau die Regierungspolitik wieder.

Eine Stellungnahme der deutschen Bundeskanzlerin und ihres Außenministers zu den illegalen Angriffen ist bisher nicht bekannt. In Pakistan werden im Allgemeinen nicht nur die USA, sondern auch die in Afghanistan operierende ISAF, an der die Bundeswehr beteiligt ist, für die Überfälle verantwortlich gemacht – nicht nur im politisch-moralischen Sinn, sondern auch als unmittelbare Tatbeteiligte oder Mithelfer.

Knut Mellenthin
Junge Welt, 12. September 2008