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Washingtons "BMW-Revolution" ist gescheitert. Aber die Gefahr ist noch nicht vorbei.

"Vergesst eure Träume über Libanon!", rief Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der schiitischen Hisbollah, vor mehr als einer halben Million Menschen in Beirut der amerikanischen Regierung zu. "Was ihr durch Krieg nicht gewonnen habt, das, so schwöre ich, werdet ihr auch mit politischen Mitteln nicht gewinnen. Libanon ist nicht die Ukraine, Libanon ist nicht Georgien."

Die von Hisbollah organisierte Kundgebung von mehreren hunderttausend Menschen - Schätzungen reichen bis zu einer Million - im Zentrum Beiruts am 8. März beendete den Versuch der USA, im Libanon nach dem Vorbild von Belgrad, Tiflis und Kiew einen "Regimewechsel" unter amerikanischer Kontrolle zu inszenieren. Bis dahin hatten einige zehntausend Oppositionelle, überwiegend Christen, das Zentrum der Hauptstadt beherrscht und den Eindruck erweckt, das libanesische Volk zu repräsentieren.

Im US-Außenministerium hatte man sich auch schon einen Namen ausgedacht: "Zedern-Revolution", nach dem Baum, der die Staatsfahne schmückt. Viele sprächen aber stattdessen von der "BMW-Revolution", schrieb die New York Times am 9. März. Denn die sogenannte Oppositionsbewegung wird vor allem von Jugendlichen aus der wohlhabenden Mittelklasse getragen. Die Schiiten hingegen, gegenwärtig mit etwa 40 Prozent die größte Gruppe Libanons, sind vor allem in den Unterschichten stark vertreten.

Kernforderung der Opposition ist der vollständige und sofortige Rückzug der syrischen Truppen aus dem Libanon. Syrien hatte 1976 aufgrund einer Aufforderung der Beiruter Regierung, und mit stillschweigender Unterstützung der USA, in den libanesischen Bürgerkrieg eingegriffen. Syrische Truppen retteten damals die rechten christlichen Milizen vor einer vernichtenden Niederlage gegen die verbündeten Sunniten, Schiiten, Drusen und Palästinenser. Ein Gipfeltreffen der Arabischen Liga billigte die Stationierung syrischer Einheiten zur Stabilisierung der Lage im Libanon. Nach mehreren Rückzugsbewegungen waren von anfänglich 40.000 nur noch 14.000 Soldaten übrig geblieben.

Im September vorigen Jahres stimmte der UNO-Sicherheitsrat einem Antrag der USA und Frankreichs zu, der den Abzug "aller ausländischen Streitkräfte" und die "Entwaffnung aller Milizen" forderte. Gemeint waren die Syrer und die Hisbollah. Der Antrag ging ohne Gegenstimme durch. Russland und China, die im Sicherheitsrat ein Veto-Recht haben, ermöglichten durch Enthaltung die Annahme.

Im Gegensatz zur Propagandaversion der US-Regierung enthält die Resolution 1559 keinen Zeitplan, fordert also keineswegs den "sofortigen" Abzug der Syrer, wie Bush behauptet. Dennoch stellt sie eine in der Geschichte der Vereinten Nationen vermutlich einmalige, mit den Statuten der Weltorganisation unvereinbare Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen, demokratischen Staates dar. Der Protest gegen Resolution 1559 war daher eine der am häufigsten zu lesenden und zu hörenden Parolen der großen Hisbollah-Kundgebung in Beirut. Nicht etwa, weil die Schiiten unbedingt die Syrer im Land behalten wollen, sondern weil deren Präsenz oder Abzug ausschließlich eine Angelegenheit zwischen Beirut und Damaskus ist.

George W. Bush hat sein Blatt, das zunächst gar nicht so schlecht erschien, offensichtlich überreizt. Seine Vereinnahmung der libanesischen Oppositionsbewegung und den erpresserischen Druck auf Syrien hat der US-Präsident so übertrieben, dass UN-Chef Kofi Annan, die arabischen Staaten der Region und stillschweigend auch Amerikas europäische Verbündete auf Distanz gehen.

Die "Zedern-Revolution" sollte für Bush, zusammen mit den Wahlen im Irak und in den von Israel besetzten Palästinensergebieten, zum Beweis werden, dass seine Strategie der militärisch unterfütterten "Demokratisierung" die gesamte Nahost-Region erfasst habe. Selbst langjährige Gegner der konservativen Außenpolitik ließen sich von der "BMW-Revolution" blenden und verkündeten plötzlich, der Präsident habe offenbar doch Recht gehabt.

Aber nach der von Hisbollah organisierten Kundgebung der Hunderttausende und der nicht weniger machtvollen Gegendemonstration der Opposition eine Woche später ist offensichtlich, dass sich im Libanon zwei etwa gleich starke Blöcke gegenüberstehen. Die einseitige Unterstützung der US-Regierung für eine der beiden Seiten und die Verteufelung der anderen kann nur dazu führen, die Wunden des von 1975 bis 1990 geführten Bürgerkriegs wieder aufzureißen und das Land erneut in eine gewaltsame Konfrontation zu führen. Am Ende stünde vermutlich die Stationierung einer "internationalen Friedenstruppe" unter amerikanischer Führung.

Knut Mellenthin

SOZ, März 2005