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Keine Angst, er will nur spielen
Obama beruhigt Israel
Die israelische Regierung hat auf die Rede, die Barack Obama am Donnerstag voriger Woche in Kairo hielt, mit einer geschickt formulierten, rundum zustimmenden Stellungnahme reagiert. Die Erklärung lässt alle Punkte aus, in denen Meinungsverschiedenheiten erkennbar werden, und hebt vor allem das Bekenntnis des US-Präsidenten zur unerschütterlichen Unterstützung Israels hervor.
Inzwischen wurde bekannt, dass Obamas Rede für Israel nichts Überraschendes enthielt, da sowohl die israelische Regierung als auch die bedeutendsten jüdischen Organisationen der USA über den Inhalt vorab informiert und beruhigt worden waren. Unter anderem hatte das Weiße Haus im Vorfeld von Obamas Ägypten-Reise eine offenbar zur Veröffentlichung bestimmte E-Mail an Hadar Susskind, den Direktor des Jewish Council for Public Affairs, geschickt. Der JCPA, nicht zu verwechseln mit der Pro-Israel-Lobby AIPAC, ist ein Dachgremium von 14 jüdischen Organisationen. Die Botschaft hat folgenden Wortlaut:
„Der Präsident hat ganz klar gemacht, dass seiner Überzeugung nach alle Seiten Verpflichtungen und Verantwortungen haben, an die sie sich halten müssen, wenn die Friedensbemühungen eine Erfolgschance haben sollen.
Er meint, dass Israel verpflichtet ist, die Siedlungen zu stoppen. Israel hat dem in der Roadmap-Vereinbarung (Anm.: unter Präsident George W. Bush) eindeutig zugestimmt.
Ebenso meint er – und hat das bei seinem Treffen mit Präsident Abbas gesagt -, dass die Palästinenser verpflichtet sind, die Stimmungsmache (Anm.: gegen Israel) zu beenden und damit fortzufahren, ihre Sicherheitskapazitäten zur Bekämpfung des Terrorismus zu verstärken.
Er hat auch über die Verantwortung der arabischen Staaten gesprochen, im Rahmen der arabischen Friedensinitiative Gesten der Normalisierung schon jetzt zu machen, und nicht erst am Ende des Prozesses.
Wir haben zwar im Moment einige Meinungsverschiedenheiten mit Israel über die Siedlungen. Aber wir versuchen, diese still, professionell und ohne Schärfe oder Ultimaten abzuarbeiten, wie es einer starken Beziehung zu einem wichtigen Verbündeten entspricht.
Das verpflichtende Bekenntnis des Präsidenten zur Sicherheit Israels ist so fest wie eh und je. Das hat er viele Male bekräftigt. Sein Drängen auf eine Zwei-Staaten-Lösung und den Stopp der Siedlungen ist entscheidend motiviert von seiner Sorge um Israels Zukunft als gesicherter, demokratischer jüdischer Staat. Er ist fest überzeugt, dass das im Interesse der USA ist.“
Ein zentraler Punkt dieser Botschaft ist das Versprechen, dass die US-Regierung auch bei zeitweiligen Differenzen keinerlei Druck auf Israel ausüben wird. Dazu wird Obama auch in einem offenen Brief aufgefordert, den mindestens 329 der insgesamt 435 Kongress-Abgeordneten und 76 der 100 Mitglieder des Senats unterschrieben haben. Sollte Obama sich daran wider Erwarten nicht konsequent halten, würde er großen Ärger nicht nur mit dem Kongress, sondern auch innerhalb seiner eigenen Partei kriegen.
Die E-Mail des Weißen Hauses an den JCPA verdeutlicht außerdem die voraussichtliche Taktik Obamas in der Nahost-Politik: Da die Netanjahu-Regierung es strikt ablehnt, über einen Palästinenserstaat auch nur zu reden, wird die zweitrangige Frage des Siedlungsausbaus in den Vordergrund gespielt, in der durchaus Kompromisse zwischen den USA und Israel vorstellbar sind.
Ein „Einfrieren“ der Bautätigkeit in den Siedlungen und ihrer Ausdehnung würde allerdings einen palästinensischen Staat keinen Schritt, nicht einmal einen minimalen näher bringen. Trotzdem sollen die arabischen Staaten verpflichtet werden, ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel jetzt schon, also ohne wirkliche Gegenleistung, zu „normalisieren“. Damit wäre der arabische Friedensplan, der eine „Normalisierung“ der Beziehungen nur in Zusammenhang mit dem Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten vorsieht, zerstört. Sollten die Araber aber Obamas Forderung ablehnen, stünden sie – und nicht Netanjahu – als die Störer da.
Aufschlussreich ist auch, dass Obama in der Botschaft an Susskind erneut die Formel der Netanjahu-Regierung von Israel als „jüdischem Staat“ übernimmt, mit der die Palästinenser und die arabischen Länder verpflichtet werden sollen, die Diskriminierung der nichtjüdischen Bewohner Israels dauerhaft zu akzeptieren und auf diesem Weg zu legitimieren. Netanjahus Formel ist inzwischen in den normalen Sprachgebrauch der US-Regierung übergegangen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 8. Juni 2009