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"Schwimmende Lebensversicherung"
Die Bundesregierung weicht einer Anfrage der Linken nach den an Israel gelieferten U-Booten aus.
Politisch unbequeme Anfragen aus dem Bundestag beantwortet die deutsche Regierung vorzugsweise unvollständig und an der Sache vorbei. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen hatte wissen wollen: „Wie hoch sind die haushaltspolitischen Zuwendungen der Steuerzahler für die Lieferung von U-Booten der 'Dolphin'-Klasse für Israel, welches dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten ist, und trifft es zu, dass diese Boote mit Trägersystemen für nukleare Waffen ausgerüstet werden können?“
Vier U-Boote sind mittlerweile fertiggestellt und der israelischen Marine übergeben worden. Zwei weitere sind vertraglich vereinbart und befinden sich im Bau auf der Kieler HDW-Werft. Obwohl klar die Frage nach der Höhe des deutschen Anteils an den Gesamtkosten gestellt war, nannte die Bundesregierung in ihrer Antwort nur die Zuzahlung für das sechste U-Boot: 135 Millionen Euro. Den Bau aller sechs Schiffe hat Deutschland mit mehr als einer Milliarde Euro subventioniert. Die ersten zwei, die 1996 und 1997 ausgeliefert wurden, bekam Israel glatt geschenkt. Der Stückpreis, damals noch in D-Mark, betrug umgerechnet rund 225 Millionen Euro. Die Kosten für die neue Version, von der das erste Exemplar Anfang Mai in Kiel vom Stapel lief, liegen über 400 Millionen Euro. Der rasante Anstieg wird vor allem mit dem Einbau eines leistungsfähigeren Antriebssystems begründet. Dadurch können die Schiffe sehr viel länger untergetaucht fahren und haben zudem einen größeren Aktionsradius.
Auf die Frage von Sevim Dagdelen, ob die an Israel gelieferten U-Boote mit nuklearen Waffen – theoretisch möglich wären Torpedos, Raketen oder Cruise Missiles – ausgerüstet werden können, antwortete die Bundesregierung ausweichend: „Zu Spekulationen über die Eignung der U-Boote für den Einsatz von Atomwaffen gilt: Die Bundesregierung tritt entschieden für die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen ein. Dementsprechend würde sie keine Lieferungen von Trägersystemen für Nuklearwaffen genehmigen.“
Das hat in dieser Form allerdings auch niemand unterstellt. Alle Vermutungen, die schon seit der Lieferung der ersten U-Boote immer wieder in den Medien auftauchen, drehen sich um die Möglichkeit, dass Israel diese selbst für den Abschuss atomarer Sprengköpfe umgebaut hat. Dass israelische Techniker umfangreiche, mehrjährige Nachbesserungen an den Schiffen vorgenommen haben, ist unstrittig. Ebenso bekannt ist, dass vier der insgesamt zehn Torpedorohre der Dolphin-Klasse auf israelischen Wunsch einen größeren Durchmesser haben. Die Washington Post meldete schon im Juni 2002, möglicherweise voreilig, dass Israel begonnen habe, die U-Boote mit Cruise Missiles auszustatten. Dass die in Deutschland gebauten Schiffe zur nuklearen „Zweitschlagkapazität“ des zionistischen Staates gehören, gilt in den Maistream-Medien als so eindeutig, dass Springers Welt sie am 4. Dezember 2011 sogar als „schwimmende Lebensversicherung für Israel“ feierte.
Die Linken-Abgeordnete Dagdelen kommentierte den Vorgang mit den Worten: „Wenn die Bundesregierung tatsächlich generell für die Nichtverbreitung von Atomwaffen eintreten würde, wie sie behauptet, dann würde sie Israel zur Einhaltung und Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages drängen und seiner Regierung, die dem Iran regelmäßig völkerrechtswidrig mit einem militärischen Angriff droht, nicht noch vom Steuerzahler quersubventionierte U-Boote liefern, die nach Einschätzung zahlreicher Experten mit Atomwaffen bestückt werden könnten – trotz des Verbotes der Lieferung von Waffen in Spannungsgebiete.“
Knut Mellenthin
Junge Welt, 24. Mai 2012