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Rückschlag für Obama

Der US-Präsident muss seinen Zeitplan für Militäraktionen gegen Syrien ändern und verspricht jetzt einen ganz kleinen und kurzen Krieg. 

Der scheinbar so klare, auf hohes Tempo orientierte Kriegsplan der US-Regierung gegen Syrien ist ins Stocken geraten. Während es am Mittwoch noch so schien, als wäre mit dem Beginn der Angriffe schon am Wochenende zu rechnen, sind Militärschläge nun wohl nicht vor Dienstag nächster Woche zu erwarten. Das ergibt sich aus dem Ablauf, auf den sich der britische Regierungschef David Cameron am Mittwochabend festlegte. Demnach soll es zwei getrennte Abstimmungen im Unterhaus geben, das eigens aus den Ferien zurückgerufen wurde. Das erste Votum – über die Verurteilung des Giftgas-Einsatzes vom 21. August – wurde am späten Abend des gestrigen Donnerstags erwartet. Über die Beteiligung Großbritanniens an Kriegshandlungen sollen die Abgeordneten jedoch erst abstimmen, wenn der Bericht der UN-Inspektoren vorliegt, die sich derzeit zur Untersuchung des mutmaßlichen Massenmordes in der Umgebung der syrischen Hauptstadt Damaskus aufhalten. Das wird voraussichtlich nicht vor dem Wochenende, vermutlich erst Anfang nächster Woche der Fall sein.

Vordergründig geht es bei der dadurch bedingten Verschiebung des Angriffsbeginn nur um wenige Tage. Als Hintergrund werden aber grundsätzliche Probleme deutlich, in die sich Barack Obama und seine europäischen Verbündeten mit ihrer überhasteten Kriegstreiberei selbst hineinmanövriert haben. Als der US-Präsident ziemlich genau ein Jahr vor dem Massaker, am 20. August 2012, verkündete, dass die syrische Führung mit einem eventuellen Einsatz chemischer Kampfstoffe eine „rote Linie“ überschreiten würde, sprach er kaum verborgen eine Einladung an die syrischen Rebellen, an ausländische Terrorgruppen und nicht zuletzt an die Geheimdienste interessierter Staaten der Region aus: Wer ein militärisches Eingreifen der USA herbeiführen wollte, musste lediglich halbwegs geschickt ein Giftgas-Massaker inszenieren und vielleicht noch Vorkehrungen treffen, um das Verbrechen der syrischen Regierung anzulasten.

Die Eile, mit der Obama, aber auch Cameron und die französische Regierung kaum eine Stunde abwarteten, bevor sie mit angeblich absoluter Sicherheit Syriens Präsidenten Baschar Hafis al-Assad als Schuldigen anprangerten, demonstriert, wie hochwillkommen diesen Politikern der Vorfall war. Ihre Eile resultierte wohl auch aus der ursprünglichen Absicht, die Bevölkerung ihrer eigenen Länder ebenso zu überrumpeln wie die internationale Öffentlichkeit – und einer Untersuchung durch die UNO militärisch zuvorzukommen. Dass die allerersten „Hinweise“ für die Konstruktion einer Schuldzuweisung an Assad gerade von israelischen Geheimdiensten kamen, wie die neokonservativen FoxNews am Donnerstag meldeten, ist ein interessanter Nebenaspekt, den man im Auge behalten sollte.

Von der zynischen Wahnvorstellung, einen Krieg nicht einmal mehr auf gefälschte Indizien, sondern nur noch auf bloße, zudem krass unlogische Behauptungen stützen zu können, haben sich die Hauptakteure offenbar mittlerweile verabschiedet. Vielleicht noch am Donnerstagabend werde das Weiße Haus seine „Beweise“ veröffentlichen, hieß es plötzlich. Vorab wurden einige Medien aus Regierungskreisen darauf vorbereitet, dass man jedoch kein „smoking gun“, keine wirklich zwingende Beweisführung gegen Assad, erwarten dürfe.

Mit seinem Vorgehen hat Obama schon jetzt den UN-Generalsekretär Ban Ki-mun öffentlich bloßgestellt, der den USA an sich so wohlgesonnen ist wie kaum einer seiner Vorgänger. Aber dass der US-Präsident Schuldsprüche in die Welt setzt, während die UNO noch untersuchen lässt, und nicht einmal verheimlicht, dass ihm völlig egal ist, zu welchen Ergebnissen die internationalen Inspektoren kommen, ist denn doch ein zu starkes Stück. Am Mittwoch versuchte Obama, den Kritikern im eigenen Land den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er versprach, es werde sich nur um klitzekleine, „maßgeschneiderte“ Militärschläge handeln. Aber das ist entweder eine Lüge oder ein Eingeständnis, dass der Friedensnobelpreisträger sich verrechnet hatte.  

Knut Mellenthin

Junge Welt, 30. August 2013