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Rückkehr in die Vergangenheit

Restauration des alten Systems in Ägypten. Ex-Diktator Mubarak in Freiheit, Hunderte seiner Gegner im Gefängnis.

Mit der Haftentlassung von Ex-Präsident Husni Mubarak schreitet in Ägypten die Wiederherstellung der alten Ordnung weiter voran. Gerüchten zufolge sollte der 85Jährige noch am Donnerstag aus dem Gefängnis in ein Militärkrankenhaus verlegt und später unter Hausarrest gestellt werden. Mubarak, seinerzeit Chef der Luftwaffe, hatte Ägypten mit Hilfe der Streitkräfte seit Oktober 1981 bis zu seinem erzwungenen Rücktritt im Februar 2011 autoritär und repressiv regiert.

Nach dem Umsturz wurde Mubarak im Juni 2012 wegen seiner Mitschuld am Tod von Hunderten Demonstranten zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Januar 2013 hob ein Kairoer Gericht das Urteil auf Antrag von Mubaraks Anwälten wegen angeblicher Verfahrensmängel auf  und ordnete an, dass  neu verhandelt werden muss. Der Berufungsprozess begann im April und musste schon am ersten Tag wieder abgebrochen worden, weil der vorsitzende Richter sich für befangen erklärte. Das hatte zur Folge, dass die legale Dauer von Mubaraks Untersuchungshaft überschritten war. Zuletzt befand sich der frühere Diktator nur noch wegen Korruptionsvorwürfen in Haft. Von diesen wurde er am Mittwoch freigesprochen, so dass seiner Entlassung nichts mehr im Wege stand.

Während damit ein klares politisches Signal gesetzt wird, wächst die Zahl der eingesperrten Anhänger des am 3. Juli vom Militär gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi in die Hunderte oder gar schon Tausende. Am Dienstag wurde in Kairo der spirituelle Führer der Muslimbruderschaft, Mohamed Badie verhaftet. In der Nacht zum Donnerstag nahm die Polizei auch Ahmed Aref fest und schaffte ihn ins Gefängnis. Er war in den vergangenen Wochen oft als Sprecher der Bruderschaft aufgetreten. Mursi selbst wird an einem unbekannten Ort gefangen gehalten. Bei den mit ungleichen Waffen ausgetragenen Zusammenstößen zwischen Demonstranten einerseits, Militär und Polizei andererseits wurden nach offiziellen Angaben annähernd tausend Anhänger des entmachteten Präsidenten getötet.

Das Militär bringt zunehmend auch die liberale und linke Opposition, die den Sturz Mursis begeistert begrüßt hatte, gegen sich auf. Inzwischen läuft gegen einen der Führer des Oppositionsbündnisses, Mohammed el-Baradei, der nach dem Putsch der Streitkräfte das Amt des Vizepräsidenten übernommen hatte, ein Strafverfahren, das ihn zur Flucht ins Ausland veranlasst hat. Angeblich hält er sich in Wien auf – dem Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), deren Chef Baradei bis November 2009 war. Mehrere Organisationen der säkulären Opposition, darunter die Jugendbewegung 6. April, haben für Freitag Demonstrationen gegen die Haftentlassung Mubaraks angekündigt.  

Die 28 Außenminister der Mitgliedstaaten der EU haben am Mittwoch Sanktionen beschlossen, die kritische Distanz zu den Gewaltmethoden des Militärregimes signalisieren sollen: Die Lieferung  von Waffen und anderen Ausrüstungen, die zur Unterdrückung von inneren „Unruhen“ und Demonstrationen eingesetzt werden können, wurde gestoppt. Angeblich sind in einigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, darunter Großbritannien und Deutschland, solche Exportbeschränkungen bereits in Kraft. Darlehen und Hilfszahlungen der EU an Ägypten, die sich im vergangenen Jahr auf rund fünf Milliarden Euro beliefen, sind von den Sanktionen nicht betroffen. Die Staaten der Union sind mit einem Gesamtvolumen von 24 Milliarden Euro (2011) bei weitem der wichtigste Handelspartner Ägyptens. EU-Politiker sind demonstrativ bemüht, „die Gewalt“ in Ägypten nur in allgemeiner Form zu verurteilen und die Schuld so gleichmäßig wie möglich auf alle Seiten zu verteilen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 23. August 2013