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Piraten gegen Schmuggler

US-Kommando stürmt Öltanker in internationalen Gewässern.

Ein neuer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Weltpolizei: US-Spezialtruppen haben in der Nacht vom Sonntag auf Montag im östlichen Mittelmeer einen Öltanker gekapert. Es war weltweit die erste Militäraktion dieser Art. Das Schiff stellte weder eine Gefahr für die USA oder andere Länder noch für die internationale Seefahrt dar. 

Anhänger der ostlibyschen Autonomiebewegung hatten den Tanker, die „Morning Glory“, am 8. März in dem von ihnen kontrollierten Hafen Sidra mit Erdöl beladen, um dieses auf eigene Rechnung zu verkaufen. Wenn ihnen das gelungen wäre, hätte es sich um eine Premiere gehandelt. Einige frühere Versuche hatte die kleine und schwache libysche Marine vereitelt. Die Autonomisten streben nicht die staatliche Unabhängigkeit, sondern lediglich mehr  Selbstverwaltungsrechte an. Dazu gehört vor allem ein größerer Anteil an den Einnahmen aus der Vermarktung der Ölvorkommen, die überwiegend im östlichen Landesteil liegen.

Die „Morning Glory“ fuhr bis zur vorigen Woche unter der Billigflagge der Demokratischen Volksrepublik Korea. Vor einigen Tagen hat Nordkorea aber diese Registrierung gelöscht, da die Schiffseigner den Kontrakt verletzt hätten, indem sie „Schmuggelware transportierten“. Wem das Schiff tatsächlich gehört und für wen das Öl bestimmt war, ist jedoch nach wie vor unbekannt. Nach nordkoreanisches Angaben fuhr der Tanker vorübergehend für eine ägyptische Firma. Diese fungierte aber wohl nur als Deckung – Gerüchten zufolge für Unternehmer in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder in Saudi-Arabien.

Libyens Premierminister Ali Zeidan hatte angekündigt, er werde das Schiff beschießen und bombardieren lassen, falls es versuchen sollte, widerrechtlich die libyschen Hoheitsgewässer zu verlassen. Am Mittwoch vor einer Woche teilte er der Öffentlichkeit mit, dass die „Morning Glory“ von der libyschen Marine aufgebracht worden sei und zu einem von der Regierung kontrollierten Hafen gebracht werde. Die Autonomisten dementierten – offenbar sachlich zu Recht: Der Tanker hatte den Durchbruch in internationale Gewässer geschafft. Als diese Entwicklung in Libyen bekannt wurde, erklärte das Parlament am vorigen Dienstag den ohnehin seit langem umstrittenen Zeidan für abgesetzt und machte Verteidigungsminister Abdullah al-Thinni übergangsweise zu seinem Nachfolger. Zeidan flüchte außer Landes und soll sich zur Zeit an einem unbekannten Ort in Europa aufhalten.

Gleichzeitig kündigte das Parlament die Mobilisierung „regierungsfreundlicher“ Milizen aus dem westlichen Teil Libyens an. Sie sollen nach Ablauf von zwei Wochen die besetzten Häfen im Osten zurückerobern, falls sich die Autonomisten bis dahin nicht freiwillig zurückziehen.

Das Pentagon rechtfertigt die Kaperung der „Morning Glory“ durch Angehörige der Navy Seals mit einem Ersuchen Libyens. Auf welche tatsächliche Autorität sich die Aktion stützte, ist jedoch nicht bekannt. Unklar ist auch, ob sich künftig jeder, dem etwas abhanden kommt, an das Pentagon mit einem Notruf wenden kann. Libyen hat seit dem von der NATO herbeigebombten Sturz Gaddafis im Jahre 2011 keine im Lande anerkannte Zentralregierung mehr. Die reguläre Amtszeit des Parlaments, das gegenwärtig Regierungen nach Belieben absetzt und einsetzt, ist schon vor Wochen abgelaufen. Zur Ansetzung fälliger Neuwahlen sind die Parlamentarier jedoch nicht bereit. 

An dem Piratenakt gegen die „Morning Glory“ und der angedrohten Offensive gegen die Rebellenhäfen sind außer der staatlichen libyschen Ölgesellschaft, einem Hort von Korruption und anderen Wirtschaftsverbrechen, laut Presseberichten auch westliche Konzerne interessiert. Der 30 Kilometer südwestlich von Zypern in internationalen Gewässern gestürmte Tanker wird nun von US-amerikanischen Kriegsschiffen in einen „regierungstreuen“ libyschen Hafen eskortiert und soll dort zunächst entladen werden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 19.3.2014