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Kriegshysterie in Israel

Seit einer Woche berichten die israelischen Medien über nahe bevorstehende Militärschläge gegen Iran. Begleitet wird das Kriegsgeschrei von Raketentests, Manövern und Notstandsübungen, die angeblich schon seit mindestens einem halben Jahr geplant waren und nun ganz zufällig innerhalb einer einzigen Wochen zusammenfallen.

Am Freitag voriger Woche kehrten israelische Kampfflugzeuge von einer fünftägigen Teilnahme an einer NATO-Übung auf Sardinien zurück. Ein zentrales Thema war dabei das Auftanken in der Luft während längerer Flüge, wie es bei Angriffen gegen Ziele im Iran erforderlich wäre. Außerdem trainierten die israelischen Piloten gemeinsam mit deutschen und italienischen Kollegen das Agieren in Luftkämpfen. Dem Staat Israel, wohlgemerkt selbst kein NATO-Mitglied, steht schon seit Jahren der Luftraum über Italien, Griechenland und Rumänien – diese Aufzählung ist nicht unbedingt vollständig – für militärische Übungen offen.

Am Mittwoch meldete Israel den „erfolgreichen“ Test einer ballistischen Rakete, deren Reichweite den Iran einschließt und die mit einem nuklearen Sprengkopf ausgerüstet werden kann. Es war der erste öffentlich bekannt gegebene Raketentest seit drei Jahren. Am Mittwoch führte das israelische Heimatfront-Kommando in einem zentralen Landesteil eine Übung durch, bei der Rettungsarbeiten nach Raketenangriffen simuliert wurden. Am Donnerstagmorgen heulten 90 Sekunden lang die Alarmsirenen. In der Stadt Holon wurden im Rahmen der Übung Zentren für die Aufnahme von Verletzten und für die Verteilung von Gasmasken eingerichtet.

Begonnen hatten die tollen Tage am vorigen Freitag mit einem Artikel in der meistgelesenen Zeitung Israels, Jedioth Ahronoth. Der Verfasser, Nahum Barnea, ist einer der bekanntesten und angesehensten Journalisten des Landes. Seine Behauptung, für die er sich ausschließlich auf anonyme Insiderquellen berief: Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak seien fest entschlossen, in naher Zukunft Luftangriffe gegen die iranischen Atomanlagen anzuordnen. Bedenken gegen diese Absicht gebe es jedoch aus militärischen und geheimdienstlichen Kreisen.

Am Mittwoch meldete die vorwiegend liberale Tageszeitung Haaretz unter Berufung auf einen anonymen Informanten im Regierungsapparat, dass die Meinung im engeren Kabinett, dem außer dem Premierminister sieben Minister angehören, geteilt sei. Netanjahu sie es zwar gelungen, Außenminister Avigdor Lieberman von der Notwendigkeit eines israelischen Alleingangs zu überzeugen, aber mehrere andere, insbesondere der – für das Thema Iran eigentlich zuständige – Minister für Strategische Angelegenheiten, Mosche Ja'alon, seien immer noch dagegen, unabhängig von den USA zu handeln.

Ebenfalls am Mittwoch wurde die Gerüchteküche von der britischen Tageszeitung The Gurdian noch weiter angeheizt. Unter Berufung auf nicht näher bezeichnete anonyme Quellen behauptete das Blatt, die US-Regierung stehe kurz vor der Entscheidung für Raketenschläge gegen Iran. Präsident Barack Obama wolle die Angelegenheit möglichst noch vor der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampf im nächsten Jahr hinter sich bringen. Die britischen Streitkräfte seien deshalb jetzt schon dabei, ein militärisches Eingreifen an der Seite der USA (und Israels) zu planen.

Irans Außenminister Ali Akhbar Salehi kommentierte am Donnerstag, man kenne solche Drohungen mittlerweile, da man sie seit acht Jahren regelmäßig zu hören bekomme. Falls wirklich jemand versuchen sollte, Iran anzugreifen, sei man zur Verteidigung bereit.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 4. November 2011