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Jung, frisch und angepasst

Die US-amerikanische Organisation J Street, die eine Pro-Israel-Politik jenseits des zionistischen Mainstreams vertreten will, offenbart ihre Grenzen. In einem Positionspapier, das in der vorigen Woche veröffentlicht wurde, lehnt die „alternative Lobby“ den palästinensischen Vorstoß bei der UNO zur Anerkennung eines eigenen Staates ab. Zugleich unterstützt sie die angekündigte Absicht der US-Regierung, von ihrem Veto-Recht Gebrauch zu machen, falls ein entsprechender Antrag im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gestellt werden sollte.

Zur Begründung heißt es, dass die palästinensische Initiative zwar legitim sei, aber kein Ende des Konflikts bringen, sondern bestehende Gegensätze noch verschärfen würde. J Street lehnt jedoch die vor allem von den Republikanern im Kongress vorgetragenen Versuche ab, die Palästinenser für ihr Vorgehen mit einer Streichung der Finanzhilfe zu bestrafen. Nicht fehlen darf schließlich der Dauerbrenner der Organisation: die Forderung nach „amerikanischer Führerschaft“, die allerdings wie üblich mit keinerlei konkreten Vorstellungen befrachtet wird.

Diese Stellungnahme könnte auch als Entschließung der Demokratischen Partei oder als Vorlage für eine Rede von Barack Obama durchgehen. Sie ist in den Kernaussagen nahezu identisch mit einem redaktionellen Leitartikel, den die New York Times am 11. September veröffentlichte. Unklar bleibt, warum für eine derart angepasste Politik eine eigene Organisation nötig sein soll. Sicher ist, dass J Street die Bezeichnung „linksgerichtet“, die ihr von Freunden und Gegnern gern einmal verliehen wird, nicht verdient. Ihr Ruf, links zu sein, verdankt sich nicht ihren eigenen Taten, sondern in erster Linie der feindseligen Ausgrenzung durch die großen jüdischen Organisationen der USA und durch das offizielle Israel. Der Chef von J Street, Jeremy Ben-Ami, bezeichnete die von Ariel Scharon gegründete Kadima als diejenige israelische Partei, mit der man die größten Übereinstimmungen habe.

J Street war bei ihrer Gründung im April 2008 und in den ersten Monaten ihrer Existenz mit hohen Erwartungen und Vorschusslorbeeren bedacht worden. Linke und liberale Kommentatoren äußerten die Hoffnung, dass J Street eine „junge“ und „frische“ Alternative zur etablierten Lobby werden könnte, die sich monolithisch-stramm hinter die jeweilige israelische Regierung stellt und niemals eine selbstständige Position erkennen lässt. Der jüdische Milliardär George Soros, der dem zionistischen Mainstream gern einmal Streiche spielt und dort entsprechend verhasst ist, besorgte einen großen Teil der Anschubfinanzierung. Der Versuch von J Street, diese Verbindung aus Image-Gründen geheim zu halten oder sogar zu leugnen, endete in Peinlichkeiten.

Im Januar hatte die Organisation viel Kritik von jüdischer und israelischer Seite auf sich gezogen, weil sie Obama aufgerufen hatte, die Verabschiedung einer Sicherheitsrats-Resolution gegen den Ausbau der Siedlungen in den besetzten Gebieten nicht durch ein Veto zu blockieren. Zu Recht, wenn auch vergeblich, wies J Street darauf hin, dass die Entschließung absolut nichts enthielt, was nicht seit einigen Jahrzehnten Position aller US-Regierungen war und ist. Unmut erregte auch, dass J Street im Juni vorigen Jahres nach dem israelischen Überfall auf ein türkisches Hilfsschiff für Gaza eine zwar nicht scharf kritische, aber doch etwas ausgewogenere Haltung einnahm als der jüdische Mainstream und die Mehrheit des Kongresses.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 15. September 2011