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Israel rüstet deutsche U-Boote mit Atomraketen aus

Wie die "Washington Post" jetzt berichtet, ist die israelische Kriegsmarine dabei, drei von Deutschland gelieferte U-Boote mit Cruise Missiles (CM) auszustatten, die Atomsprengköpfe tragen können. Israel gab hierzu postwendend ein Dementi ab, das bei näherem Hinsehen jedoch überhaupt keines ist. Das Oberkommando der israelischen Marine bestritt lediglich, dass Israel bereits Cruise Missiles mit Atomsprengköpfen besitzt, und fügte vielsagend hinzu: "Wir wären froh, wenn wir ein paar davon hätten."

Dieses Pseudo-Dementi besagt lediglich, dass Israels U-Boot-fähige nukleare CM's sich noch im Entwicklungs- und Erprobungsstadium befinden und dass noch nicht sämtliche technischen Probleme gelöst sind.

Der Sachverhalt ist im Wesentlichen schon seit mehreren Jahren bekannt und war bereits Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen. Die drei U-Boote sind in den 90er Jahren bei den Howaldtswerken Deutsche Werft AG (HDW) und der Thyssen Nordseewerke AG gebaut worden. Der Stückpreis wird mit 680 Millionen DM angegeben. Die ersten beiden U-Boote wurden ganz oder überwiegend aus dem deutschen Haushalt im Rahmen der Militärhilfe finanziert; die Kosten des dritten teilten sich Deutschland und Israel.

Die U-Boote tragen die ihnen von der israelischen Marine gegebene Bezeichnung "Dolphin", Delphin. Tatsächlich entsprechen sie weitestgehend dem jüngsten deutschen Typ U-212. Von diesem abweichend enthalten sie spezielle elektronische Komponenten, die von der israelischen Industrie produziert wurden. U-212 gilt weltweit als eines der modernsten, wenn nicht sogar das modernste U-Boot, das zur Zeit verfügbar ist. Es hat 10 Torpedorohre. Vier von diesen haben einen größeren Durchmesser und sind zum Abschuss von Lenkflugkörpern geeignet. Hieß es zunächst, Israel bemühe sich zu diesem Zweck um die Anschaffung der US-amerikanischen Lenkwaffe "Harpoon", so arbeitet es inzwischen an der Entwicklung einer eigenen U-Boot-fähigen CM, die von den Amerikaner als "Popeye Turbo II" bezeichnet wird. Ihre Reichweite soll zur Zeit bei 1.500 Kilometern liegen. Einen vermutlich ersten Test dieses Lenkflugkörpers unternahm die israelische Marine im Mai 2000 im Indischen Ozean.

Deutschland hat also ein atomar nachrüstbares Waffensystem an ein Land geliefert, das den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat und das fieberhaft an der massenhaften Produktion von Atomwaffen ebenso wie an deren Weiterentwicklung arbeitet. Nach unterschiedlichen Schätzungen besitzt Israel zwischen 200 und 400 Atomwaffen mit einer Gesamtstärke von bis zu 50 Megatonnen. Eine Megatonne entspricht dem 80-fachen der Hiroshima-Bombe.

Offiziell hat Israel bis heute nicht einmal zugegeben, dass es überhaupt Atomwaffen besitzt, obwohl daran überhaupt kein Zweifel möglich ist. Die "Washington Post" bemerkt dazu, dass die US-Regierung die israelische Diskretion begrüßt, und zitiert hierzu einen nicht namentlich genannten ehemaligen hochrangigen US-Diplomaten: "Würde Israel sich eindeutig äußern, würde das Probleme mit seinen Nachbarn wie Ägypten und Syrien schaffen." Solange Israel nicht offen über seinen Atomwaffen-Besitz spricht, werde dieser angeblich von den Regierung der Nachbarstaaten nicht als offensive Bedrohung aufgefasst. Soweit die offizielle US-amerikanische Position.

Dass die U-Boote aus Deutschland von den israelischen Streitkräften in erster Linie dazu benutzt werden sollen, die "Triade der atomaren Abschreckung" (auf dem Land, in der Luft und im Wasser) abzurunden, war schon im Anfangsstadium der Verhandlungen über die Lieferung kein Geheimnis. Der frühere Kommandant der israelischen Marine, Generalmajor Avraham Botzer, erklärte bereits im Dezember 1990, sein Land brauche U-Boote nicht nur, um feindliche Kriegsschiffe anzugreifen, sondern auch als Plattform für Waffensysteme, die der Abschreckung gegen einen Angriff mit nicht-konventionellen Massenvernichtungswaffen dienen sollen.

Angeblich soll die Ausrüstung der von Deutschland gelieferten drei U-Boote mit nuklear bestückten Cruise Missiles dazu dienen, ein Abschreckungspotential zu schaffen, das auch einen schweren Angriff Iraks oder Iran mit Massenvernichtungswaffen überleben könnte. Um dies zu begründen, wird die Gefahr beschworen, dass eines dieser Länder in wenigen Jahren, vielleicht sogar schon in zwei Jahren, Atomwaffen besitzen könnte. Tatsächlich sind beide Länder noch weit davon entfernt, auch nur eine einzige kriegsfähige, tatsächlich einsetzbare Nuklearwaffe entwickeln zu können. Und die Vorstellung, sie könnten - ohne dass die USA vorher eingreifen - ein Potential entwickeln, das groß genug wäre, um Israels auf dem Land stationierte Atomwaffen mit einem Angriffsschlag auszuschalten, ist fernab der Realität.

Was also ist der Zweck der Atomrüstung Israels nun auch noch unter Wasser? Ein Aspekt könnte sein, dass mit den auf U-Booten stationierten Cruise Missiles auch Ziele erreichbar wären, die heute noch außerhalb der Reichweite israelischer Waffensysteme liegen. Israelische Politiker und Militärs haben in der Vergangenheit vage Statements abgegeben, die mit gutem Willen so interpretierbar waren, dass Israel in einem Konflikt niemals als erster Atomwaffen einsetzen würde. Aber in einer Zeit, wo auch Israels wichtigster Verbündeter, die USA, von diesem Grundsatz ganz offiziell abrücken, könnten auch die israelischen Erklärungen früherer Zeiten an Wert verlieren.

Knut Mellenthin

Neues Deutschland, 17. Juni 2002