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Hintertür zur Intervention

In Jordanien finden seit einer Woche die größten internationalen Militärübungen seit mindestens zehn Jahren statt. Sie sollen noch bis zum 28. Mai dauern. Das internationale Medienecho ist bisher auffallend schwach.

An dem Manöver „Eager Lion“ sind mehr als 12.000 Soldaten aus 19 Ländern beteiligt. Neben den Gastgebern und den USA sind unter anderem auch die Türkei, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Australien, Ägypten, Irak, Saudi-Arabien, Bahrain, Libanon, Pakistan und Katar vertreten. Die offizielle US-amerikanische Beschreibung der Übungen ist nichtssagend: Es gehe um „Szenarien“, die „realistische, aktuelle Sicherheitsherausforderungen abbilden“ sollen.

Das jordanische Regime bemüht sich, dem naheliegenden Eindruck entgegenzutreten, dass die Ansammlung von Soldaten unterschiedlicher Waffengattungen aus so vielen Ländern etwas mit der Lage im benachbarten Syrien und den Kriegsdrohungen gegen Iran zu tun haben könnte. Der zuständige Armeechef Generalmajor Awni Adwan behauptete zu Beginn des Manövers, dass dieses „nicht mit irgendeinem realen Weltereignis in Zusammenhang“ stehe. „Das hat nichts mit Syrien zu tun. Wir respektieren Syriens Souveränität. Es gibt keine Spannungen zwischen den Syrern und uns. Unsere Ziel sind klar.“

Dagegen berichtete die Washington Post am Wochenende mit ausdrücklichem Bezug auf das Manöver „Eager Lion“, dass die Obama-Administration dabei sei, gemeinsam mit ihren Verbündeten im Nahen Osten ihre Planungen für ein militärisches Eingreifen in Syrien zu „beschleunigen“. Zwischen Washington und Amman gebe es schon seit geraumer Zeit Gespräche über die Errichtung ständiger US-Stützpunkte in Jordanien, die von den Marines oder von Spezialeinheiten für schnelle Einsätze bei „Krisen irgendwo in der Region“ genutzt werden könnten. Ein zentrales Szenario sei dabei ein drohender Kontrollverlust der Regierung in Damaskus über ihr Chemiewaffen-Arsenal.

Tatsächlich gehört Syrien, ebenso wie Israel, zu den acht Ländern, die der 1993 abgeschlossenen Konvention über das Verbot der Herstellung, Lagerung und Verwendung von Chemiewaffen nicht beigetreten sind. Angeblich besitzt das Land sowohl Kampfstoffe, die noch auf Weltkriegs-I-Niveau sind als auch moderne Nervengase. Gesicherte Fakten sind jedoch rar. Selbst über die für eine Intervention wesentliche Frage, wie viele Produktions- und Standorte Syrien eigentlich besitzt, gehen die Behauptungen weit auseinander: Die Skala reicht von 5 bis 50 oder sogar noch darüber hinaus.

Die Washington Post spricht jetzt von der Existenz einer zentralen Planungsgruppe in den USA, der auch Vertreter des Auslandsgeheimdienstes CIA und des Oberkommandos der Streitkräfte für Spezialoperationen angehören sollen. An den Vorbereitungen seien außerdem Militärs und Geheimdienstler aus mindestens sieben weiteren Ländern beteiligt. Ziel sei die „Sicherstellung“ von Waffendepots durch Spezialeinheiten, falls diese in die Hände fundamentalistischer Rebellen zu fallen drohen.

Das Thema ist an sich nicht neu, sondern tauchte schon seit Februar immer wieder auf. Damals drohte Israel mit Militäraktionen, einschließlich des Einsatzes von Bodentruppen, gegen Syrien und Libanon, falls syrische Chemiewaffen zur Hisbollah gelangen sollten. Die Türkei setzt, Berichten der regierungsnahen Tageszeitung Zaman zufolge, auf Luftangriffe. Der US-Sender CNN schätzte, unter Berufung auf anonyme Quellen im Pentagon, am 22. Februar, dass 75.000 Soldaten für die „Sicherung“ alles syrischen Chemiewaffen-Standorte erforderlich sein würden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 21. Mai 2012