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"Großer Fortschritt für den Frieden"

Frankreichs Präsident Macron will den libyschen Kriegsverbrecher Haftar zum Partner der EU machen

Würde man Emmanuel Macron glauben, hätte „die Sache des Friedens in Libyen“ am Dienstag in Paris „einen großen Fortschritt gemacht“. Aber da der französische Präsident sich mit dieser Bewertung vor allem selbst lobt, ist Skepsis angebracht. Außerdem ist es nicht das erste Mal, dass von „großen Fortschritten“ bei der Wiederherstellung eines einheitlichen libyschen Staates nach dessen Zerstörung durch das Eingreifen der NATO und mehrerer Autokratien der arabischen Halbinsel im Jahre 2011 verheißungsvoll die Rede ist.

Macron war am Dienstag Gastgeber und Schirmherr eines Treffens zwischen dem zwar international anerkannten, aber außerhalb der Hauptstadt Tripoli nahezu machtlosen Regierungschef Fajes Serradsch und dem in Ostlibyen mächtigen Warlord Khalifa Haftar. Es kam dabei eine gemeinsame Erklärung in zehn Punkten heraus, die unter anderem einen Waffenstillstand und sogar die Abhaltung von Präsidenten- und Parlamentswahlen „so bald wie möglich“, also irgendwann, verspricht.

Damit war Macron immerhin erfolgreicher als vor ihm das ägyptische Militärregime und die Scheichs der Vereinigten Arabischen Emirate: Bei einem Treffen in Kairo im Februar konnte Präsident Abd al-Fatah al-Sisi seinen Schützling Haftar nicht einmal dazu bewegen, sich mit Serradsch in einem Raum aufzuhalten. Dieses Kunststück gelang erstmals am 3. Mai in Abu Dhabi. Angeblich einigten sich die beiden schon damals grundsätzlich auf Waffenstillstand und Wahlen. Ein Schönheitsfehler war aber, dass sie getrennte Stellungnahmen veröffentlichten, in denen davon nicht die Rede war.

Der praktische Hauptaspekt des Treffens in Paris ist, dass Macron sich rücksichtslos vorgedrängt hat, um sich als großen Diplomaten und Außenpolitiker zu inszenieren. Nach den Spielregeln der EU ist für Libyen in erster Linie die Regierung in Rom zuständig. Italien ist für diese Rolle allerdings nur durch die Tatsache qualifiziert, dass es erstens der nordafrikanischen Küste am nächsten liegt und zweitens von 1912 bis 1947 Libyens Kolonialmacht war. Italienische Medien behaupten, Rom sei von Macron nicht einmal über das bevorstehende Treffen informiert worden, sondern habe davon nur durch seine eigenen Verbindungen sowohl zu Serradsch als auch zu Haftar erfahren.

Substantiell enthält die 10-Punkte-Erklärung von Paris nicht wesentlich mehr als die Absichtserklärung, die Gespräche zwischen beiden libyschen Seiten fortzusetzen und sich gemeinsam um eine unterstützende Resolution des UN-Sicherheitsrats zu bemühen. Sie zu erhalten, wird nicht schwer sein. Wo es substanzlosen Optimismus zu nähren gilt, hat das Gremium sich noch nie geziert.

Und der Waffenstillstand, der in der französischen Hauptstadt vereinbart wurde? Erstens enthält er eine wichtige Einschränkung: „Antiterroristische“ Militäraktivitäten sind davon ausgenommen. Was darunter zu verstehen ist, wurde nicht definiert. Für Haftar sind alle, gegen die er seine „Libysche Nationalarmee“ (LNA) antreten lässt, Terroristen. Zweitens verfügt die schwache Regierung von Serradsch nicht über eigene Streitkräfte. Sie wird lediglich von einigen Milizen unterstützt, die dafür bezahlt werden oder deren Führer sich davon andere Vorteile versprechen. Keine dieser Milizen befindet sich im Krieg mit Haftars Truppen. Ein entscheidender Grund: Ihre Interessenssphären überschneiden sich nicht.

An den gut dokumentierten Kriegsverbrechen der LNA scheint Macron, der Haftar unbedingt zum seriösen Partner der EU aufwerten will, sich nicht zu stören. Genau in diesen Tagen erregt im Internet ein Video Aufsehen, dass Haftars Leute bei einer Massenhinrichtung von Gefangenen zeigt: Die zahlreichen Opfer knien in orangefarbener Kleidung auf dem Boden. Ein für solche Szenen bereits berüchtigter LNA-Kommandeur verliest ihr Todesurteil. Sein Mordkommando geht durch die Reihen und tötet die Gefangenen durch Genickschuss.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 27. Juli 2017