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Bitte an Obama

Die irakische Regierung möchte US-amerikanische Waffensysteme kaufen und wird mit Forderungen konfrontiert, sich vom Iran zu trennen.

Im Irak hat die Zahl der Opfer tödlicher Terroranschläge im Oktober einen neuen Höchststand erreicht. Politiker aus beiden großen Parteien der USA wollen die irakische Notlage ausnutzen, um das Land wieder stärker unter amerikanische Kontrolle zu bringen.

Nach Angaben der irakischen Regierung starben im vergangenen Monat 964 Menschen bei Bombenanschlägen und politisch motivierten bewaffneten Angriffen. Darunter sollen 44 Soldaten und 65 Polizisten gewesen sein, sowie als bei weitem größte Gruppe 855 Zivilisten. Das ist die höchste Zahl an Todesopfern seit April 2008.

Die am Freitag veröffentlichte Mitteilung der Regierung in Bagdad beruht auf Datensammlungen des Gesundheits-, Innen- und Verteidigungsministeriums. Diesen Angaben zufolge wurden im Oktober außerdem 1.445 „Zivilisten“, 88 Polizisten und 67 Soldaten bei Anschlägen und Angriffen verletzt. Die getöteten und verletzten Zivilpersonen sind überwiegend Schiiten. Die gleichen Terrorbanden, die auch jenseits der Grenze in Syrien aktiv sind, plazieren Bomben auf Marktplätzen, in Einkaufsstraßen, vor Moscheen und sogar in Schulen und auf Kinderspielplätzen in Gegenden, die überwiegend von Schiiten bewohnt werden.

Nach Angaben der UN-Mission im Irak starben im laufenden Jahr schon 5.740 irakische „Zivilisten“ durch Terroranschläge. Im ganzen Jahr 2012 waren es, dieser Quelle zufolge, 3.238 und im letzten Jahr vor dem vollständigen Abzug der US-amerikanischen Truppen, 2011 sollen es 2.771 gewesen sein. Die Zahl der Anschläge und ihrer Opfer liegt gegenwärtig immer noch weit unter dem Höhepunkt der politisch, religiös und ethnisch motivierten Gewalttaten in den Jahren 2006 und 2007. Zwischen Herbst 2006 und Frühjahr 2007 wurden mehrere Monate hintereinander jeweils über 3.000 „Zivilisten“ getötet.

In der vergangenen Woche besuchte Premier Nouri Maliki erstmals seit 2011 wieder die USA, um dort Hilfe im „Kampf gegen den Terror“ zu erbitten. Westliche Medien berichten, dass die irakischen Streitkräfte besonders an Kampfhubschraubern vom Typ Apache interessiert seien. Außerdem soll sich Bagdad schon vor einigen Monaten für amerikanische Drohnen interessiert haben.

Das Treffen zwischen Maliki und US-Präsident Barack Obama am Freitag brachte jedoch, wie kaum anders zu erwarten, keine greifbaren Ergebnisse, sondern nur das unverbindliche Zugeständnis, dass die irakischen Streitkräfte „dringend“ zusätzliche Unterstützung bräuchten.

Am Dienstag hatten sechs Senatoren aus beiden großen Parteien einen offenen Brief an Obama veröffentlicht, in dem sie den Präsidenten aufforderten, jede Hilfszusage an Bagdad von der Erfüllung scharfer Vorbedingungen abhängig zu machen. Ganz oben rangiert die Forderung, den „bösartigen Einfluss Irans in der irakischen Regierung“ zurückzudrängen. Besonders verwerflich finden die Unterzeichner, dass Iran den irakischen Luftraum benutze, um angeblich Militärgerät nach Syrien zu liefern. Maliki müsse außerdem gezwungen werden, sunnitische und kurdische Gruppen an der Staatsmacht zu beteiligen. In diesem Zusammenhang enthält der Brief auch die Forderung, „die Ent-Baathifizierung zu beenden“. Das ist einigermaßen erstaunlich, da die sechs Senatoren neokonservativen und pro-zionistischen Kreisen angehören, die sich nach dem Überfall auf den Irak besonders stark für die Entfernung aller Baath-Mitglieder aus Staats- und Wirtschaftspositionen eingesetzt hatten.

Unterzeichner des Briefes sind neben den führenden republikanischen Hardlinern John McCain und Lindsey Graham auch der demokratische Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses, Robert Menendez, und der ranghöchste Republikaner im selben Gremium, Bob Corker, sowie der  Demokrat Carl Levin, der dem Streitkräfteausschuss vorsteht, und der ranghöchste Republikaner im Senatsausschuss für Umwelt und öffentliche Arbeiten, James Inhofe.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 4. November 2011