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Angriff ist Verteidigung

Israel rechtfertigt Militärschläge und Kriegsvorbereitungen im 1984er „Neusprech“

Israel droht seinen Nachbarländern Syrien und Libanon mit Krieg. Das traut es sich nach Aussagen seiner Politiker und Militärs allein zu. Nur für eine große militärische Konfrontation mit dem Iran, die sie ebenfalls ins Auge gefasst haben, wünschen sie sich eine Beteiligung der USA.

Der jüngsten verbalen Eskalation war am Montag ein israelischer Bombenangriff auf eine syrische Luftabwehr-Batterie etwa 50 Kilometer östlich der syrischen Hauptstadt Damaskus vorausgegangen. Aus der speziellen, vom internationalen Recht abweichenden israelischen Sicht handelte es sich um einen „Vergeltungsschlag“. Nach übereinstimmender Darstellung beider Seiten hatte die Batterie Raketen auf israelische Militärflugzeuge abgeschossen, die sich im libanesischen Luftraum befanden, um dort „Aufklärung“ zu betreiben. Gemeint ist in diesem Fall das Auskundschaften und Fotografieren potentieller Angriffsziele.

Israel beansprucht für seine Luftwaffe das Recht, sich im Luftraum seiner nördlichen Nachbarn frei und ungestört bewegen zu dürfen. Ein Sprecher der israelischen Streitkräfte bezeichnete am Montag den Einsatz syrischer Abwehrraketen als „eindeutige Provokation“, die man auch künftig „nicht hinnehmen“ werde.

Nach israelischer Darstellung wurde bei dem Zwischenfall die Luftabwehr-Batterie durch den Abwurf von vier Bomben zerstört. Die Syrer behaupten, ein israelisches Flugzeug sei getroffen und zur Flucht gezwungen worden. Über die Wirkungen des Bombenangriffs schweigt Syrien.

Der Militärschlag erfolgte wenige Stunden vor dem ersten Besuch des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu in Israel. Er traf dort unter anderem Premierminister Netanjahu und Verteidigungsminister Avigdor Liberman. Das Büro des Regierungschefs teilte mit, Netanjahu habe dem Gast gesagt, dass Israel den Iran daran hindern werde, „in Syrien ständige Stützpunkte für seine Luft-, See- und Bodenkräfte zu errichten“. Was Schoigu dazu und zu dem vorausgegangenen Luftangriff gegen Syrien zu sagen hatte, ist nicht bekannt. Russische Medien zitierten lediglich den stellvertretenden Verteidigungsminister Alexander Fomin mit der optimischen Aussage, Schoigu und Netanjahu hätten „ihre Zuversicht ausgedrückt, dass das Treffen (...) der Entwicklung der russisch-israelischen Zusammenarbeit einen zusätzlichen Impuls geben“ werde.

Israel hat nach eigenen Angaben in den letzten Jahren mehr als hundert Mal Ziele in Syrien angegriffen. Überwiegend handelte es sich um Konvois und Stellungen der im Libanon beheimateten schiitischen Hisbollah-Miliz, die die syrische Regierung im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ und andere bewaffnete Fundamentalisten unterstützt. Israelisches Hauptziel ist die Störung des Waffennachschubs für die Hisbollah, was einer Unterstützung der Islamisten gleichkommt.

Im September fand in Nordisrael eine elftägige Militärübung mit mehreren zehntausend Teilnehmern statt, zu der auch Reservisten einberufen worden waren. Offiziell handelte es sich um die größte derartige Übung seit zwanzig Jahren. Die angenommene Lage war ein Krieg gegen den Libanon, ausgelöst durch eine Geiselnahme der Hisbollah auf israelischem Boden. Der letzte Feldzug Israels im Libanon hatte 2006 stattgefunden und bereitete den israelischen Streitkräften unerwartete Schwierigkeiten.

Israel bereitet darüber hinaus nicht nur Angriffe gegen iranische Militärberater in Syrien vor, sondern stellt sich auch auf eine umfassende Konfrontation mit dem Iran ein. Ungewohnt offen ließ das israelische Verteidigungsministerium im September mitteilen, dass dazu direkte Hilfe der USA benötigt werde. Mit dieser Botschaft hatte Liberman den früheren stellvertretenden Chef des Generalstabs, Generalmajor Jair Golan, zu einer Sicherheitskonferenz in Washington geschickt, wie israelische Medien berichteten. „Sie sind uns sehr ähnlich“, bekannte Golan, und seien daher viel gefährlicher als der IS.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 20. Oktober 2017