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War der Präsident eingeweiht?

Der internationale Ärger über eine gefälschte „Live-Reportage“ des georgischen Fernsehsenders Imedi TV hält an. Der Präsident der Europäischen Kommission, Jose Manuel Barroso, äußerte am Mittwoch seine „Besorgnis“ über den Vorgang und rief die georgische Führung auf, „sich aller Aktivitäten zu enthalten, die örtliche oder regionale Spannungen verschärfen könnten“. Die Vertreterin der OSZE für die Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, sprach von „unverantwortlichem Journalismus“. Die Überwachungskommission der EU in Georgien warnte vor „verantwortungsloser“ Propaganda und stellte fest, die Imedi-Sendung habe „das Potential, die Situation in der Region ernsthaft zu destabilisieren“. Die Botschafter Großbritanniens und Frankreichs in Tbilissi protestierten in persönlichen Erklärungen gegen die Fälschung. Beide waren als unfreiwillige Darsteller mit untergeschobenen Äußerungen in die „Live-Reportage“ montiert worden. Zuvor hatte auch der Botschafter der USA den Vorgang als „verantwortungslos“ und „nicht hilfreich für Georgiens Sicherheitsinteressen“ verurteilt.

Imedi TV hatte am Sonnabend eine dreißigminütige Sendung ausgestrahlt, in der es um eine fiktive innenpolitische Krise und ein militärisches Eingreifen Russlands ging. Die führenden Oppositionspolitiker Nino Burdschanadse – ehemalige Parlamentspräsidentin – und Surab Nogaideli – ehemaliger Premierminister – waren als Kollaborateure der russischen Intervention dargestellt worden. Die Sendung war mit echten Filmaufnahmen, aber falschem Ton scheinbar realistisch aufgemacht. Zu Beginn erklärte eine Sprecherin, man wolle zeigen, „wie sich die Ereignisse entwickeln könnten, wenn die Gesellschaft nicht geschlossen gegen die russischen Pläne zusammensteht“. Während der „Live-Reportage“ selbst gab es jedoch keinen Hinweis, dass es sich lediglich um eine Fiktion handelte.

Imedi ist einer von zwei „Privatsendern“ in dem ansonsten von staatlichen Medien beherrschten Land. Beide Sender werden aber von langjährigen Freunden und Mitarbeitern des Präsidenten Michail Sakaaschwili geleitet. Oppositionssprecher vermuteten deshalb sofort, dass der Propagandastreich mit dem Präsidenten abgesprochen war und vor allem zur Beeinflussung der im Mai anstehenden örtlichen Wahlen dienen sollte. Inzwischen ist eine Tonaufnahme aufgetaucht, die diesen Verdacht zu bestätigen scheint. Es handelt sich dabei um ein Telefongespräch zwischen Imedi-Chef Giorgi Arweladse und der für die Sendung verantwortlichen Redakteurin Eka Tsamalaschwili. Die Journalistin schlug dringend vor, während der „Live-Reportage“ einen Textstreifen unter dem Bild laufen zu lassen, mit dem auf den fiktiven Charakter der dargestellten Ereignisse hingewiesen werden sollte. Sie verwies dabei auch auf das georgische Mediengesetzt, das nicht gekennzeichnete Falschmeldungen verbietet. Arweladse erwiderte, die Täuschung sei  beabsichtigt und mit „Mischa“ (Saakaschwili) abgesprochen.

Sowohl der Imedi-Chef als auch die Redakteurin behaupten indessen, es handele sich um einen sinnentstellenden Zusammenschnitt verschiedener Gespräche. Zwei Politiker der alleinregierenden Nationalpartei des Präsidenten haben aber die Darstellung in dem Gesprächsmitschnitt bestätigt, dass sie über die geplante Sendung vorab informiert und konsultiert wurden.

Knut Mellenthin
Junge Welt, 19. März 2010