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"Stoppt Russland, stoppt Mischa!"

Erste Demonstration nach dem Krieg in Tbilissi. Georgiens Opposition zeigt sich gespalten und schwach.

Mehrere tausend Menschen – Schätzungen liegen zwischen 10.000 und 15.000 – haben am Freitag in der georgischen Hauptstadt Tbilissi vorm Parlament gegen die Regierung demonstriert. Anschließend zogen sie zur Residenz von Präsident Michail Saakaschwili, wo sich die Kundgebung friedlich auflöste. Aufgerufen hatten fünf Oppositionsparteien. Die parlamentarische Opposition, darunter als stärkste Kraft die Christdemokraten, hatte eine Teilnahme abgelehnt. Anlass der Kundgebung war der erste Jahrestag der gewaltsamen Zerschlagung der demokratischen Protestbewegung am 7. November 2007. Zuvor hatten damals im Zentrum von Tbilissi bis zu 100.000 Menschen mehrere Tage hintereinander den Rücktritt Saakaschwilis gefordert.

Kennzeichnend für das politische Klima auf der Kundgebung am Freitag waren Parolen wie „Stoppt Russland, stoppt Mischa“ (Saakaschwili). Der Vorsitzende der Arbeitspartei, Schalwa Natelaschwili, drohte in seiner Rede, Georgien werde sich „ganz sicher Abchasien und die Region von Tschinwali (Südossetien) zurückholen“. Zwiad Dsidsiguri, einer der Führer der Konservativen, warf Saakaschwili vor, er habe „Russlands Plan hundertprozentig umgesetzt“. Davit Gamkrelidse, Führer der Neuen Rechte, sagte in seiner Rede, Georgien sei heute mit zwei Bedrohungen konfrontiert: Die eine sei „Russland mit seiner imperialen Aggression“, die andere sei Saakaschwili.

Vor der Kundgebung hatten die Organisatoren am Donnerstag Abend eine Stellungnahme mit ihren Zielen und ihrem weiteren Zeitplan veröffentlicht. Demzufolge streben sie „einen friedlichen Regierungswechsel“, eine „unabhängige“ Untersuchung des Augustkrieges – mit dem sich derzeit ein Parlamentsausschuss beschäftigt –, Freiheit für die Rundfunkmedien, ein neues Wahlrecht und die Freilassung aller „politischen Gefangenen“ an. Nach Angaben der fünf Oppositionsparteien sind als Folge der Ereignisse vom 7. November 2007 immer noch 16 Menschen in Haft.

Zwischen 10. und 20. Dezember wollen die fünf Parteien einen Kongress veranstalten, der zur Bildung einer gemeinsamen politischen Organisation führen soll. Für den 25. Januar 2009 ist die nächste große Protestkundgebung vorm Parlament geplant. Im Zentrum soll dann die Forderung nach Annullierung der nach Ansicht der Opposition gefälschten Präsidenten- und Parlamentswahlen im Januar und Mai dieses Jahres stehen. Eine Propagandakampagne in allen Landesteilen Georgiens soll folgen.

Falls die Regierung dann „die Forderungen des georgischen Volkes“ nicht erfüllt, kündigen die fünf Parteien jetzt schon an, eine landesweite Kampagne des zivilen Ungehorsams in Gang zu setzen, um den Sturz Saakaschwilis und der von ihm eingesetzten Regierung zu erzwingen. Umfragen zeigen allerdings, dass die Stimmung für solche Aktivitäten derzeit äußerst schlecht ist. Hauptgrund: Infolge des Krieges ist die Angst vor einer Destabilisierung weit verbreitet.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 10. November 2008