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Schneerevolution im Kaukasus
Südossetiens Oppositionsführerin beharrt auf ihrem Sieg in der annullierten Präsidentenwahl.
Im Streit um die Annullierung der Präsidentenwahl in Südossetien ist noch keine Einigung in Sicht. Mehrere hundert Anhänger der Oppositionskandidatin Alla Dschiojewa, die die Stichwahl vor einer Woche klar gewonnen hatte, harren seit Donnerstag trotz starker Schneefälle rund um die Uhr auf dem zentralen Platz der Hauptstadt Tschinwali aus. In der kleinen Kaukasusrepublik, die seit zwanzig Jahren ihre Unabhängigkeit von Georgien behauptet, macht bereits das Wort von der „Schneerevolution“ die Runde. Für kommenden Sonnabend hat die Opposition eine „Amtseinführung“ ihrer Kandidatin angekündigt. Der noch amtierende Präsident Kokoity hat versprochen, dass es kein gewaltsames Vorgehen gegen die Demonstranten geben werde.
Rund 57 Prozent hatten am 27. November für die frühere Erziehungsministerin Dschiojewa gestimmt, die damit klar vor den 40 Prozent ihres von Russland unterstützten Gegners, Katastrophenschutzminister Anatoli Bibilow, lag. Die Proteste entzündeten sich daran, dass der Oberste Gerichtshof auf Antrag des unterlegenen Kandidaten die Wahl für null und nichtig erklärte. Angeblich hatte es seitens der Anhänger von Dschioejwa Verstöße gegen die Wahlordnung, Bestechung und Einschüchterung von Wählern gegeben. Davon hatte jedoch die Zentrale Wahlkommission nichts festgestellt. Zugleich schloss das Gericht die Oppositionsführerin von der Wiederholungswahl aus, für die das Parlament inzwischen einen Termin im März 2012 festgelegt hat. Dschiojewa hat Einspruch gegen das Urteil eingelegt. Dieser soll voraussichtlich am heutigen Montag verhandelt werden.
In einer ersten, nicht gerade diplomatisch und ausgewogen formulierten Stellungnahme hatte das russische Außenministerium am Mittwoch „alle Beteiligten“ dazu aufgerufen, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs anzuerkennen. In einer zweiten Erklärung, wenige Stunden später, wurde versichert, dass Russland nicht beabsichtige, sich in die inneren Angelegenheiten Südossetiens einzumischen. Als Sondergesandter Moskaus traf am Mittwochabend Sergei Winokurow in Tschinwali ein. Er hat seither täglich mehrmals mit den Streitparteien verhandelt – bisher allerdings ergebnislos, zumal er anscheinend keinen Kompromissvorschlag mitgebracht hat. Kokoity deutete die Möglichkeit an, dass Dschiojewa zur Wiederholungswahl zugelassen werden könnte, doch hat sie das angeblich abgelehnt, da die Wähler ihren Willen schon bekundet hätten.
Seit Freitag hat sich ein prominenter Mitstreiter der Oppositionsführerin, Anatoli Barankewitsch, in den Vordergrund geschoben. Das ist zum einen darin begründet, dass Dschiojewa wegen einer Bronchitis zur Zeit nicht öffentlich auftritt und auch an den Verhandlungen nicht selbst teilnimmt, könnte aber außerdem auch auf die Verhätnisse im Oppositionsbündnis hinweisen. Barankewitsch war seit 2004 Verteidigungsminister unter Kokoity. Anders als der Präsident, der sich zu diesem Zeitpunkt nicht in der Stadt aufhielt, beteiligte sich Barankewitsch maßgeblich an der militärischen Verteidigung Tschinwalis gegen den georgischen Überfall im August 2008. Kurz nach dem Krieg warf er Kokoity Korruption vor und verließ für einige Zeit Südossetien.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 5. Dezember 2011