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Ratlose Opposition

Einen Monat nach ihrem Beginn ist die georgische Protestbewegung matt geworden

Seit dem 9. April finden in der georgischen Hauptstadt Tbilissi fast jeden Tag Aktionen der Opposition statt, die der Forderung nach dem Rücktritt von Präsident Michail Saakaschwili Nachdruck verleihen sollen. Auftakt der Kampagne war eine Großkundgebung vorm Parlament gewesen, an der mindestens 60.000 Menschen – nach Angaben der Opposition sogar über 100.000 – teilgenommen hatten. In den letzten Wochen war die Beteiligung auf wenige Tausend abgesunken. Am Sonnabend kamen aus Anlass des Ein-Monats-Jubiläums noch einmal zwischen 10.000 und 20.000 Demonstranten zusammen, ohne dass aber eine neue Dynamik der Protestbewegung in Sicht ist.

Da die maßgeblichen Politiker des Oppositionsbündnisses sich gleich zu Beginn darauf festgelegt hatten, die Aktionen bis zum Sturz Saakaschwilis durchzuhalten, macht sich angesichts der unübersehbaren Stagnation der Bewegung Ratlosigkeit breit. Auch die Ausweitung der Aktionsformen – dezentrale Mahnwachen und Straßensperren an mehreren Punkten der Stadt, Mobilisierung in anderen Städten und Provinzen des Landes – hat den erhofften Aufschwung nicht gebracht, sondern dokumentiert die Mobilisierungsschwäche der Opposition noch offensichtlicher.

Für die vergangene Woche hatte das Bündnis Blockaden der wichtigsten Autobahnen angekündigt, die mit einem neuen Rücktritts-Ultimatum an den Präsidenten verbunden werden sollten. Jedoch nachdem die Regierung am Dienstag die Vereitlung eines Militärputsches und das unblutige Ende der Meuterei eines Panzerbataillons bekannt gegeben hatte, sagte die Opposition die geplanten Aktionen ab. Am späten Mittwochabend kam es erstmals seit Beginn der Kampagne zu Gewalttätigkeiten der Sicherheitskräfte, als diese gegen eine spontane Kundgebung vor dem Polizei-Hauptquartier vorgingen. Offenbar durch Hartgummi-Geschosse und Steinwürfe erlitten zahlreiche Demonstranten, darunter auch mehrere Oppositionsführer, stark blutende Kopfverletzungen.

Die Angst vor einer Eskalation der Konfrontation, verbunden mit der rückläufigen Entwicklung der Mobilisierung, begünstigt im Oppositionsbündnis die ohnehin schon länger auftretenden Tendenzen, sich auf Gespräche mit der Regierung einzulassen. Ein nicht zu unterschätzender Faktor sind auch die in Tbilissi tätigen EU-Diplomaten, die sich ganz dreist in die georgische Innenpolitik einmischen, um die Opposition zum Abbruch ihrer Kampagne und zum „Dialog“ zu drängen.

Vor diesem Hintergrund kam es am Freitagabend voriger Woche zum ersten Gespräch zwischen Vertretern der regierenden Nationalpartei und Abgeordneten des Oppositionsbündnisses. Während diese das Treffen offiziell als Türöffner für eine Begegnung mit Saakaschwili über die Modalitäten seines Rücktritts interpretierten, wollte die Regierung lediglich über einige strukturelle Reformen diskutieren. Ein Teil der Opposition, angeführt von einem Parteienblock um Georgiens ehemaligen Botschafter bei der UNO in New York, Irakli Alasania, scheint jetzt schon bereit, diesen Weg mitzugehen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 11. Mai 2009