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Proteste gegen Wahlschwindel

Georgiens Opposition beginnt mehrtägige Demonstrationen. Große Enttäuschung über Haltung der USA und der EU.

Mehrere Zehntausend Oppositionsanhänger haben am Sonntag in der georgischen Hauptstadt Tbilissi für eine Stichwahl zwischen ihrem Präsidentschaftskandidaten Lewan Gachechiladse und Amtsinhaber Michail Saakaschwili demonstriert. Es gab keine Zwischenfälle. Die Protestkundgebungen im Stadtzentrum sollen bis zum 18.Januar fortgesetzt werden.
Die Opposition wirft den Behörden zahlreiche Manipulationen der Präsidentenwahl vor, die am 5. Januar stattfand.

Wenige Stunden vor Kundgebungsbeginn hatte die Zentrale Wahlkommission am Sonntagmorgen Saakaschwili zum offiziellen Wahlsieger erklärt. Nach dem amtlichen Endergebnis hat er 53,47 Prozent der Stimmen erhalten und kann damit einen zweiten Wahlgang vermeiden, der bei einem Ergebnis unterhalb der absoluten Mehrheit fällig wäre. Der von einem Bündnis aus neun Parteien nominierte Gachechiladse liegt mit 25,69 Prozent auf dem zweiten Platz. An dritter Stelle folgt der außerhalb Georgiens lebende Milliardär Badri Patarkatsischwili mit 7,1 Prozent. Schalwa Natelaschwili, Führer der sozialdemokratischen Arbeitspartei, kam laut offiziellem Endergebnis auf 6,49 Prozent und Davit Gamkrelidse von der Neuen Rechten auf 4,02 Prozent.

Am Sonnabend hatte die Zentrale Wahlkommission, in der sieben Mitglieder der regierenden Nationalpartei und sechs Vertreter der Opposition sitzen, mit einfacher Mehrheit alle Beschwerden über Fälschungen und Fehler bei der Stimmauszählung als unbegründet, "nicht formgerecht" oder unerheblich abgelehnt. Die Opposition hatte 18 nachträglich stark gefälschte Protokolle aus einzelnen Wahlbezirken vorgelegt. Daneben hatte sie eine Überprüfung der unwahrscheinlich hohen Wahlbeteiligung in einigen Bezirken verlangt. Sie wird dort offiziell mit fast 100 Prozent angegeben, während sie im Landesdurchschnitt nur bei etwa 55 Prozent liegt. Außerdem wurden Tausende von Umschlägen mit Stimmzetteln auf Müllkippen gefunden.

Zu starker Ernüchterung in der traditionell pro-westlichen Bevölkerung Georgiens hat die Deckung des Wahlschwindels durch USA und EU geführt. Während die US-Regierung unbeirrt behauptet, es habe sich um "die freiesten, fairsten und korrektesten" Wahlen gehandelt, die jemals in Georgien stattfanden, räumen europäische Beobachter zahlreiche Verstöße ein, ohne aber praktische Konsequenzen ziehen zu wollen.

Auf der Kundgebung am Sonntag forderte Oppositionssprecher Gachechiladse neben einem zweiten Wahlgang auch strafrechtliche Schritte gegen den Leiter der Wahlkommission, Lewan Tarkhnischwili. Die internationale Gemeinschaft forderte er auf, das offizielle Wahlergebnis nicht anzuerkennen. "Bringt das georgische Volk nicht dazu, euch zu hassen, indem ihr Saakaschwili unterstützt!", rief er aus. Anderer Oppositionspolitiker kündigten an, Saakaschwili nicht als legitimen Präsidenten anzuerkennen und seine Amtseinführung, die am 20. oder 21. Januar stattfinden soll, nicht zuzulassen.

Gleichzeitig mit der Präsidentenwahl war auch über zwei Referenden abgestimmt worden. Nach vorläufigen Angaben der Zentralen Wahlkommission stimmten 72,5 Prozent für eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens, auf die das Land aber wohl noch einige Jahre warten muss. Im zweiten Volksentscheid votierten 69,8 Prozent dafür, die Parlamentswahlen im Frühjahr - wie von der Opposition gefordert -, statt erst im Herbst stattfinden zu lassen. Das offizielle Ergebnis der beiden Referenden soll erst am Dienstag bekannt gegeben werden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 14. Januar 2008