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"Militärverschwörung" in Georgien

Präsident Saakaschwili will mit unglaubwürdigen Behauptungen von innenpolitischen Problemen ablenken

10 Militärs und 13 Zivilisten befinden sich laut Angaben des georgischen Innenministeriums in Haft, nachdem die Regierung am Dienstag die Zerschlagung einer angeblichen Verschwörung zum Staatsstreich bekannt gegeben hatte. Drei hochrangige Offiziere oder Ex-Offiziere werden noch mit Haftbefehl gesucht. In ersten Berichten war von „Dutzenden“ oder mindestens 50 verhafteten Militärs die Rede gewesen.

Unter den Gesuchten sind zwei Führungsoffiziere eines Panzerbataillons, das am Dienstag der Meuterei bezichtigt worden war. Die rund 500 Soldaten der Einheit ließen sich am Abend widerstandslos entwaffnen, nachdem ihr Stützpunkt in Mukhrowani, nahe der Hauptstadt Tblissi, von Dutzenden Panzern und Panzerfahrzeugen abgeriegelt worden war. Alle Soldaten wurden in der Kaserne einer anderen Einheit unter Arrest gestellt und verhört. Da das Bataillon den Stützpunkt zu keinem Zeitpunkt verlassen hatte, handelte es sich offenbar nicht um einen Putsch. Den Angehörigen der Einheit wird lediglich Befehlsverweigerung vorgeworfen. Bisher ist nicht bekannt, um was für Befehle es sich dabei gehandelt hat. In Oppositionskreisen wird spekuliert, dass das Bataillon sich möglicherweise geweigert hat, an geplanten Polizei- und Militäraktionen gegen die seit einem Monat laufende Protestbewegung zum Sturz von Präsident Michail Saakaschwili teilzunehmen.

Die georgische Regierung stellt die Auflehnung des Panzerbataillons als Teil einer großen Verschwörung dar, die von Russland finanziert und gelenkt worden sei. Namhafte Militärs, hauptsächlich Ruheständler, sollen daran beteiligt gewesen sein. Offiziell genannt werden insbesondere Gia Gwaladse (Kommandant einer Spezialeinheit des Verteidigungsministeriums in den 1990er Jahren), David Tewsadse (Verteidigungsminister 1998-2004), Jemal Gakhokidse (ehemaliger Sicherheitsminister), Koba Kobaladse (Kommandant der Nationalgarde 2001-2004) und Gia Karkaraschwili (ehemaliger Verteidigungsminister und Armeekommandant im Krieg gegen Abchasien 1992). Karkaraschwili gehört jetzt zum Kreis um den Oppositionsführer Irakli Alasania, den ehemaligen Botschafter Georgiens bei der UNO. Koba Kobaladse ist Vorsitzender des Klubs der Generäle, dem ebenfalls Verbindungen zur Opposition nachgesagt werden.

Zentrales „Beweismittel“ der Regierung für die Existenz einer Verschwörung ist ein angeblich mit versteckter Kamera gefilmtes Video. Zu sehen ist Gwaladse, der sich renommierend über die angeblichen Putschvorbereitungen auslässt und die Namen seiner „Mitverschworenen“ aufzählt. Unter anderem ist der Redner auch zu hören mit ganz erstaunlichen Sätzen wie: „Die Russen werden uns zur Hilfe kommen, mit insgesamt 5000 Mann, die solche Führer wie Innenminister Wano Merabischwili liquidieren werden“ und „Wenn der Putsch erfolgreich verläuft, wird Georgien mit Russland wiedervereinigt.“

Tina Khidascheli, eine führende Politikerin der oppositionellen Republikanischen Partei, kommentierte: „Es gibt viele Versionen, was wirklich passiert ist, aber die von der Regierung angebotene ist die am wenigsten glaubwürdige.“

Knut Mellenthin

Junge Welt, 7. Mai 2009