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Generalmobilmachung in Südossetien

Nach bewaffneten Zwischenfällen stellt sich die Republik auf einen Verteidigungskrieg gegen Georgien ein.

Die Republik Südossetien hat am Freitag alle Reservisten einberufen. Es ist die erste Generalmobilmachung seit dem Krieg von 1990-91, der mit der faktischen, jedoch international nicht anerkannten Unabhängigkeit des nur 3.900 Quadratkilometer großen Gebiets von Georgien endete.

Vorausgegangen waren jetzt eine Reihe von bewaffneten Zwischenfällen. Am Donnerstag war ein Konvoy, in dem der von Georgien eingesetzte „Gegenpräsident“ Dimitri Sanakojew unterwegs war, mit einer ferngesteuerten Mine und anschließend mit Gewehrfeuer angegriffen worden. Während der Politiker unverletzt blieb, wurden drei Leibwächter verwundet. Am selben Tag wurde ein örtlicher Polizeichef durch einen Bombenanschlag getötet. Die südossetische Regierung sprach von einem „terroristischen Akt“ des georgischen Geheimdienstes. In der Nacht auf Freitag wurde beim Angriff auf einen südossetischen Polizeiposten ein Beamter getötet. Anschließend wurden die Hauptstadt Tschinwali und zwei Dörfer mit Artillerie und Handfeuerwaffen beschossen, wobei zwei weitere Menschen starben. Außerdem gab es 11 Verletzte. Nach georgischer Darstellung habe man das Feuer erst eröffnet, nachdem von Georgiern bewohnte Dörfer in Südossetien beschossen worden seien; über georgische Verluste sei jedoch nichts bekannt.

Schon im Februar und März hatte es Tote und Schwerverletzte bei offenbar von Georgiern verübten Bombenanschlägen auf südossetische Soldaten und Angehörige der russischen Friedenstruppe gegeben, die aufgrund des Waffenstillstands seit 1992 in Südossetien stationiert ist.

Der südossetische Präsident Eduard Kokoity sprach in seiner Begründung der Generalmobilmachung von „gut geplanten Provokationen, die von Georgien inszeniert wurden“. Er fordere die georgische Seite auf, Vernunft anzunehmen. „Anderenfalls werden wir schwere Militärausrüstung und Offensivwaffen einsetzen, um alle illegal in Südossetien stationierten Einheiten auszuschalten.“

Südossetiens Streitkräfte zählen nur 6000 Mann, sind also den georgischen – 30.000 Mann plus 100.000 Reservisten - weit unterlegen. Sie könnten aber, wie schon im Krieg von 1990-91, auf zahlreiche Freiwillige aus dem zu Russland gehörenden Nordossetien, aus der ebenfalls von Georgien abgefallenen Republik Abchasien, und aus anderen Teilen des Kaukasus rechnen. Darüber hinaus würde Russland im Kriegsfall den Südosseten, von denen die meisten russische Staatsbürger sind, seinen Beistand wohl nicht versagen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief am Freitag dazu auf, „alle Provokationen und alle Aktionen, die eine weitere Verschärfung des Konflikts auslösen könnten, einzustellen“. Von Georgien forderte er eine verbindliche schriftliche Verpflichtung, gegenüber Südossetien und Abchasien keine Gewalt anzuwenden. In einer Erklärung des russischen Außenministeriums war die Rede von einem „offenen Aggressionsakt gegen Südossetien, das eine international anerkannte Partei in diesem Konflikt ist“.

Der von EU und NATO unterstützte georgische Präsident Michail Saakaschwili hatte schon im Januar 2004 damit gedroht, die beiden Republiken bis zum Ende seiner ersten Amtszeit wieder unter georgische Kontrolle zu bringen. Im Dezember 2007 sagte er, „die Entfernung des derzeitigen Regimes in Tschinwali“ sei „nur eine Frage von Wochen, höchstens von Monaten“.

Auch das Verhältnis zwischen Georgien und Abchasien hat sich in letzter Zeit zugespitzt. Nach vier offenbar von Georgiern verübten Bombenanschlägen, bei denen zwölf Menschen verletzt wurden, schloss die abchasische Regierung am 1. Juli alle fünf Grenzübergänge und verstärkte die Sicherheitsmaßnahmen an der Grenze.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 5. Juli 2008