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Verhandeln statt Aufrüsten

EU reagiert zurückhaltend auf Teherans Gesprächsaufforderung. US-Rüstungsindustrie macht im Zeichen der Kampagne gegen Iran Riesengeschäfte.

Vor dem Hintergrund beispielloser US-amerikanischer Militärlieferungen in die Golfregion hat Iran am Wochenende eine Rückkehr an den Verhandlungstisch gefordert. Ein entsprechendes Schreiben an Catherine Ashton hat Teherans Chefunterhändler Said Dschalili am Sonnabend angekündigt. Die Außenpolitik-Verantwortliche der EU ist von der Sechsergruppe – bestehend aus den USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – mit der Aufrechterhaltung der Kontakte zum Iran beauftragt.

Das vorerst letzte Treffen zwischen Vertretern der sechs Staaten und Teherans hatte im Januar 2011 im türkischen Istanbul stattgefunden und war ohne Vereinbarung eines neuen Termins ergebnislos verlaufen. EU-Sprecher reagierten jetzt auf die iranische Gesprächsaufforderung betont zurückhaltend. Im Einvernehmen mit den USA machen die Europäer ein neues Treffen davon abhängig, dass Iran schon vorher Bereitschaft zu „bedeutenden“ Zugeständnissen und „vertrauensbildenden Maßnahmen“ signalisieren soll. Letztlich will der Westen keine Verhandlungen führen, sondern verlangt von Teheran die bedingungslose Annahme aller Forderungen. Dazu gehört an erster Stelle der Verzicht auf zentrale Teile seines zivilen Atomprogramms, insbesondere die Anreicherung von Uran und alle damit im weitesten Sinn verbundenen Arbeiten sowie Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten.

Gleichzeitig heizt die US-Regierung das Wettrüsten in der Golf-Region weiter an. Am Donnerstag bestätigte Washington die schon seit einem Jahr bekannte Absicht, an Saudi-Arabien 84 Kampfflugzeuge vom Typ F-15 zu verkaufen. Der Wert des Geschäftes mit der Firma Boeing soll sich auf rund 30 Milliarden Dollar belaufen. Der Beginn der Lieferung der Maschinen wird nicht vor 2015 erwartet. Am Freitag gab das Pentagon den Abschluss eines Vertrags mit den Vereinigten Arabischen Emiraten bekannt, der den Verkauf von 96 Abwehrraketen des von Lockheed Martin produzierten Waffensystems THAAD vorsieht. Der Wert des Deals wird mit 3,48 Milliarden Dollar angegeben. Weitere Geschäfte, die ebenfalls mit der „iranischen Drohung“ gerechtfertigt werden, beinhalten eine Modernisierung der saudischen Patriot-Abwehrraketen (1,7 Milliarden Dollar) und die Lieferung von 209 Patriot-Raketen an Kuwait (900 Millionen Dollar). Außerdem soll Irak Militärmaterial im Wert von 11 Milliarden Dollar erhalten.

Traditionell sind die Möglichkeiten der US-amerikanischen Rüstungsindustrie, mit arabischen Staaten große Geschäfte zu machen, wegen des Widerstands der Pro-Israel-Lobby begrenzt. Im Zeichen der Konfrontationspolitik gegen Iran sind die Einwände jedoch sehr viel schwächer als sonst. Darüber hinaus winken zusätzliche Riesenprofite, weil automatisch neue Lieferungen an Israel fällig werden, um dessen von den USA garantierten „qualitativen Vorsprung“ vor sämtlichen Staaten der Region zu erhalten.

Indessen hat Iran am Sonntag bekannt gegeben, dass zu Testzwecken zum ersten Mal ein selbstproduziertes Brennelement in den Teheraner Reaktor eingeführt wurde. Dort werden Isotope für die Behandlung von Krebspatienten hergestellt. Ein militärischer Missbrauch ist völlig ausgeschlossen. Trotzdem war es Iran durch den Druck Washingtons unmöglich gemacht worden, die benötigten Brennelemente auf dem internationalen Markt zu kaufen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 2. Januar 2012